Leuchtendes Land
Hilfe von Kondensierungsanlagen aus brackigen Tümpeln gewannen. Ein unablässiges Gewirr guter und schlechter Nachrichten, kommentiert mit Freudenschreien und Flüchen, begleitete Clem und Mike bei ihrer Arbeit. Ungeachtet dessen gruben sie immer weiter, bohrten sich durch die trockene, braune Oberfläche bis in die darunterliegende graue Schicht – ohne auch nur einen Goldschimmer zu entdecken. Es kam zu unvermeidlichen Streitereien über die Frage, ob sie auf diesem Claim weitersuchen oder ihr Glück mit einem anderen versuchen sollten. Aus Angst, den größten Fehler seines Lebens zu begehen, wagte keiner eine Entscheidung zu treffen, und so wühlten sie sich bei brütender Hitze weiter mit Hacke und Schaufel in die Erde.
Als Clem schließlich Spuren von Gold in seinem Sieb fand, hielt sich ihre Begeisterung in Grenzen, da sich nun die Frage stellte, wie groß die Ausbeute werden würde. Sie hatten genügend Kerle erlebt, die beim Anblick winzigster Goldpartikelchen völlig durchdrehten. »Na ja«, sagte Mike bedächtig und fischte ein klitzekleines Goldkorn heraus, »es ist jedenfalls ein Anfang. Wir sollten wohl besser noch eine Weile hierbleiben.«
Im Laufe der Zeit erwiesen sich ihre Funde als grausamer Scherz. Mehr und mehr Fremde strömten in die Stadt. Jeden Abend platzte ein glücklicher Finder ins
Welcome Inn
, das man zu einem langgestreckten Wellblechschuppen ausgebaut hatte, und gab eine Lokalrunde. Clem und Mike warfen sich neiderfüllte Blicke zu. Wie viele andere auch fanden sie kaum genügend Seifengold, um ihre Kosten zu decken.
Seltsamerweise hatte sich ihre jeweilige Haltung ins Gegenteil verkehrt. Bei ihrer Ankunft war Mike der stets zu Scherzen aufgelegte Ire gewesen, der sich mit anderen Diggern angefreundet und die »Damen« bezirzt hatte. Eines Nachts hatte er darauf bestanden, Clem auf eine Studienreise durch sämtliche Bordelle mitzuschleppen, so dass sie am nächsten Morgen noch zu betrunken gewesen waren, um zu arbeiten. Doch irgendwann hatte die Wandlung begonnen. Mike verlor allmählich das Interesse am Feiern und sogar an den Frauen und zog es vor, sich mit einer Flasche Bier in das vergleichbar ruhige Lager zu verkriechen.
»Ich langweile mich sehr schnell«, erklärte er Clem. »Diese Typen gehen mir mächtig auf die Nerven.«
»Aber du kannst doch nicht ganz allein hier rumsitzen. Wir arbeiten hart und haben uns ein bisschen Unterhaltung verdient.«
»Meiner Ansicht nach arbeiten wir keineswegs hart genug. Am Anfang haben wir bis zur Dämmerung durchgegraben, jetzt legen wir schon am frühen Nachmittag das Werkzeug aus der Hand …«
»Mein Gott, Mike!«, amüsierte sich Clem. »In dem Tempo fallen wir vor Durst bald tot um.«
»Das Bier macht dir zu schaffen, Kumpel. Und der Spaß, den du Abend für Abend hast. An Wasser fehlt es uns nicht, aber du gibst unser ganzes Geld aus. Ich bin zum Goldsuchen hier, nicht wegen dieser verfluchten Stadt.«
»Geht es darum, dass dich dieser Typ erkannt und herumerzählt hat, du seist ein Sträfling?«
Mike schüttelte den Kopf. »Du hörst mir gar nicht zu.«
Clem wollte ihm auch nicht zuhören. Noch nie im Leben hatte er sich so gut amüsiert, noch nie war er so vielen interessanten Menschen begegnet. Ungeachtet Mikes Zurückhaltung, fand er ihre Gesellschaft sehr anregend, vor allem die der erfahrenen Goldsucher aus dem Osten, die in großer Zahl nach Kalgoorlie strömten. Er hing an ihren Lippen, wenn sie von den weit entfernten Staaten erzählten, über die er nur wenig wusste. Clem genoss auch die Aufmerksamkeit der Frauen, die ihn wegen seines guten Aussehens umschmeichelten und ihn liebevoll »Yorkey« riefen. Seine derzeitigen Lebensumstände bereiteten ihm keine Probleme, tat er das alles doch nur um Thoras willen. Schließlich arbeitete er immer noch hart in seiner Mine und verzichtete auf die Annehmlichkeiten von Lancoorie. Dass er dann und wann einen lustigen Abend ohne sie verbrachte, tat seiner Liebe zu Thora keinen Abbruch.
Kalgoorlie veränderte sich zusehends. Als sich die Grabungen bis in eine Region namens Boulder ausbreiteten, wurde jeder Baum und Strauch in der Umgebung zum Bauen und Verfeuern abgeholzt. Die Hauptstraße war schon nach kürzester Zeit kaum noch wiederzuerkennen. Tag für Tag schossen neue Geschäfte, Banken und sogar eine Viehbörse aus dem Boden. Das
Welcome Inn
wurde mit vorbereitetem Bauholz, das man per Kamelkarawane in die Stadt geschafft hatte, zu einer richtigen Gastwirtschaft
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