Liberty: Roman
vor seinem Wahnsinn zu schützen. Ich gehe zu Phantoms Kiosk am Markt.
»Jonas braucht bhangi «, sage ich.
»Ich kann heute Abend was vorbeibringen.«
»Nein, er darf von dir und mir nicht wissen. Nimm einen von deinen kleinen Jungs. Wenn Jonas ins Kibo Coffee House kommt, soll der Junge zu ihm gehen und ihm ein Angebot machen. Mit einem harten Preis.« Phantom lacht.
»Okay«, sagt er. Ich kratze seinen Rücken, er kratzt meinen.
Als ich Phantom das nächste Mal treffe, sagt er: »Es hat funktioniert. Jonas ist der größte Kunde.«
Eines Tages bin ich im Coffee House, aber draußen auf der Toilette. Ich gehe den Gang zurück in den hohen Raum und sehe Jonas; ich bleibe stehen und drücke mich in eine Ecke. Phantoms Junge steht bei ihm. Jonas schaut sich nervös um – das harte Arusha- bhangi lässt ihn paranoid wie eine trächtige Gazelle werden. Ich sehe, wie der Junge einem Burschen auf der Straße mit der Hand ein Zeichen gibt. Jonas steht auf, verlässt den Jungen und startet sein Motorrad, während der andere Bursche auf ihn zugeht und ihm die Hand gibt. Jonas steckt die fest verschnürte Papiertüte unters Hemd und fährt nach Hause, zum lindernden Rauch, der zu meinem Gefängnis und meiner Sicherheit geworden ist. Jonas sieht mich jeden Tag in seinem Haus, ein schwarzer Mann kümmert sich um seine Kinder, er isst und bewegt sich frei – es weckt sein Missfallen. Wenn er im Kopf ernsthaft klar wird, nur einen einzigen Tag – werde ich hinausgeschmissen, auf meinem Arsch.
Christian
»Willst du denn gar nicht in die Stadt?«, frage ich Mutter.
»Nein, nicht in den nächsten Tagen«, sagt sie.
»Aber ich langweile mich.«
»Dann musst du allein gehen.«
»Aber wie soll ich denn reinkommen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich könnte mir Johns Motorrad leihen«, schlage ich vor.
»Nur über meine Leiche.«
»Verdammter Mist!«
»Du sollst nicht fluchen!«, sagt sie. Ich gehe in die Kantine der Arbeiter und trinke eine Cola.
Vater ist guter Laune, als ich nach Hause komme.
»Unser Container landet in zwei, drei Tagen in Tanga«, verkündet er. »Ich fahre morgen Mittag. Willst du mit?«
»Ja, klar.« Endlich passiert etwas. Der Container kommt von Ostermann. Normalerweise werden die Zöllner von einem Spediteur in Daressalaam bestochen, aber Vater rechnet damit, dass er die Fracht selbst aus dem Hafen in Tanga bekommt – er kennt das System aus seiner Zeit bei Mærsk in Singapur. Der Container ist voll mit Konserven, Mehl ohne Rüsselkäfer, Carlsberg-Bier, Prince-Zigaretten, Süßigkeiten, Jeans, Turnschuhen und Babybrei.
Vater leiht sich einen Land Rover von einem Norweger, der Thorleif heißt und in Moshi wohnt; er hat sich ebenfalls an der Bestellung beteiligt.
»Ich muss zu einer Sitzung nach Arusha und soll um zwölf am KNCU -Gebäude mit Thorleif den Wagen wechseln – dann hole ich dich am Kibo Coffee House ab. Kommst du allein nach Moshi?«
»Ja, klar.«
»Wie willst du denn in die Stadt kommen?«, fragt Mutter.
»Ich fahre einfach auf einem der Laster mit, die den Zucker abtransportieren.«
»Aber fahr mit keinem Betrunkenen«, sagt Mutter.
»Schon gut, ich werd schon aufpassen.«
Am nächsten Morgen stehe ich vor der Fabrik und warte. Ich winke einem Lastwagenfahrer zu, als er durch das Tor fährt, und rufe auf Swahili: »Kann ich bis Moshi mitfahren?«
»Spring rein!«, ruft er, ohne zu bremsen. Ich laufe, öffne die Tür und klettere auf den Beifahrersitz. Er muss ein Kichagga sein; hat braune Zähne, weil oben in den Bergen zu viel Fluor im Wasser ist. Er ist nüchtern. Wir können den Krach des überlasteten Dieselmotors nicht übertönen, aber er bietet mir eine Zigarette an. Die Lastwagenfahrer haben Geld, denn bei den Zuckertransporten gibt es immer ein wenig Schwund, und der Gewinn verschwindet in ihren Taschen.
In Moshi will ich Marcus besuchen, aber er arbeitet für Jonas in der Waldschule FITI . Ich gehe auf den Markt und kaufe bei einem Rasta in einem kleinen Kiosk am Rand des Marktes Zigaretten. Esse in Zahra’s Restaurant samosa und trinke im Kibo Coffee House Kaffee, während ich auf Vater warte. Er kommt nicht. Es ist nach eins. Ich gehe zum KNCU -Gebäude, in dem Thorleif für Nordic Projekt arbeitet, das die Genossenschaftsbewegung der Bauern in den Bergen berät. Unser Peugeot steht vor der Tür.
»Sehen wir zu, dass wir endlich loskommen«, sagt Vater. Wir fahren die North Pare Mountains entlang nach Same. Jedes Mal, wenn uns jemand entgegenkommt,
Weitere Kostenlose Bücher