Licht und Dunkelheit
Mann, der seine Frau liebte und verehrte. Dann kam der Tag, da sie von Lishar in die Quelle der Energie zurückgerufen wurde. Aber er wollte sich nicht von ihr trennen, also wendete er seine Kräfte gegen Lishar an, die ihn daraufhin bestrafte, indem sie ihn seines Elements und somit seiner Energie beraubte. Verzweifelt über den Verlust sowohl seiner geliebten Frau als auch der Verbundenheit zu seinem Element, flüchtete er aus Mintra. Er machte sich auf den Weg in die Dunkelheit des Todes der verzweifelten Seelen, der Menschen, die nicht zur Quelle von Lishar zurückkehrten.
Der See der Dunkelheit lag den Legenden nach in den hohen Bergen von Gestork. Angeblich liehen ihm die toten Seelen ihre Energie, und fortan rächte sich der Mann an jeder Frau aus Mintra, die so leichtsinnig war, in die Berge von Gestork zu kommen – sein Geschenk zurück an die verlorenen Seelen.
Levarda schüttelte den Kopf. Das war eine Geschichte, die kleinen Kindern Angst machen sollte. Lishar würde niemals eines ihrer Kinder fallen lassen, oder? Eine neue Erinnerung tauchte aus Levardas Gedächtnis auf: die Berge von Gestork. Hatte sie nicht vor Kurzem über den Ort gelesen oder davon gehört? Dann fiel es ihr wieder ein. Die Berge von Gestork – dahin flüchtete Larisan, und traf sie dort nicht den hohen Lord?
Am liebsten wäre Levarda direkt zu Lord Otis gelaufen, um ihm von der Geschichte zu erzählen. Sie musste unbedingt das dritte Buch von Larisan lesen. Vielleicht enthielt es Informationen über diese Sache, die sie entdeckt hatten. Oder sie war komplett verrückt geworden und schenkte einem Schauermärchen mehr Beachtung, als es verdiente. Abgesehen davon musste Burg Ikatuk mit seiner reichhaltigen Bibliothek eine Fundgrube an Wissen sein. Ob es so einen Ort des Wissens auch in der Festung gab? Wenn ja, war es vermutlich Frauen nicht gestattet, sie zu betreten.
Levarda beschloss, sich endlich schlafen zu legen.
Sie hatte eine unruhige Nacht. In ihrem Traum sah sie eine dunkelhaarige Frau vor sich, die ihr ähnlichsah. Ein alter Mann stieß ihr einen Dolch in die Brust, dann änderte sich das Bild. Sie stand in lodernden Flammen und Lord Otis stieß ihr sein Schwert durchs Herz, dann veränderte sich sein Gesicht und sie sah in das höhnisch lachende Antlitz von Prinz Tarkan.
Schweißgebadet wachte sie am nächsten Morgen auf. Sie wusch sich gründlich, bis ihre Haut gerötet war, weil sie das Gefühl, beschmutzt zu sein, nicht loswurde. Adrijana kam herein und sah sie überrascht an.
»Ihr seid auf?«
»Adrijana, kümmere dich bitte darum, dass ich ein Bad nehmen kann.«
»Ja, Mylady.«
»Und kannst du Lord Otis ausrichten lassen, dass ich ihn sprechen möchte?«
»Obwohl er Euch das angetan hat?«
»Ja, es ist wichtig, und er tat es nicht mit Absicht.«
»Wie kann man jemandem unabsichtlich in den Hals schneiden?«
Sie hob an, Lord Otis zu verteidigen, hielt aber inne und sagte nur: »Ich werde auf mich aufpassen, versprochen.«
Levarda überlegte, ob sie heute in ihrem Zimmer frühstücken sollte, um sich den Hofdamen mit ihrem Gerede zu entziehen, entschied sich dann dagegen. Irgendwann würde sie sich sowieso dem Tratsch stellen müssen.
Erhobenen Hauptes und mit gelassenem Gesichtsausdruck betrat sie den Speiseraum, wo alle Damen außer Lady Eluis bereits versammelt waren. Die Bandage um ihren Hals zog wie magisch die Blicke der Frauen an.
»Die Gerüchte sind also wahr«, stellte Hamada schadenfroh fest.
»Welche Gerüchte, Lady Hamada?«, fragte Levarda unschuldig. Sie wollte keinen Fehler machen, indem sie Informationen preisgab, die noch nicht bekannt waren.
Hamada deutete auf ihre Bandage. »Ihr seid dem hohen Lord zu nahe gekommen und Lord Otis hat Euch – leider nur fast umgebracht.«
»Wenn Ihr Wert darauf legt, Lady Hamada, werde ich Lord Otis gern ausrichten, dass Ihr seine mangelhafte Präzision im Umgang mit dem Messer missbilligt.«
Hamada wurde blass, fasste sich aber schnell. »Ihr könnt von Glück reden, dass er Euch nicht umbringen wollte. Ich zweifle gewiss nicht daran, dass er es getan hätte, wenn es notwendig gewesen wäre.«
»Es beruhigt mich, dass Ihr den Gedanken verwerft, es sei sein Wunsch gewesen, mich zu töten.«
Hamada schwieg verwirrt, als ihr bewusst wurde, dass Levarda sie in ihren eigenen Worten verstrickte.
»Mich würden allerdings die genauen Umstände interessieren, weshalb er Euch fast die Gurgel durchgeschnitten hat«, meldete sich Lady Smira ruhig
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