Lichtpfade - Die Chroniken der Akkadier II (Gesamtausgabe)
einer sogenannten Tarykkönigin gefangen genommen worden war. Taryk – jene finsteren Kreaturen, die sie vorhin beim Knutschen gestört hatten, und die offiziellen Feinde der Akkadier.
Doch das Schlimmste an Danicas Gefangenschaft stellten die Nachkommen dar, die sie geboren hatte. Keine gewöhnlichen, wie Ju und seine Kameraden Ende des letzten Jahres feststellen mussten, als sie nach Island gereist waren, um Danica und einen weiteren Akkadier zu befreien. Irgendwie war es Assora, der dunklen Königin, gelungen, einen Taryk mit einer Akkadia zu kreuzen, woraus mindestens zwei dieser Halbblüter entsprungen waren. Während Danica nach der Schlacht einen ihrer Söhne mit sich nehmen konnte, gelang es dem anderen zu fliehen – wahrscheinlich der, dem sie gerade begegnet waren. Und wie Ju feststellte, war an diesem Kerl nichts Gutes zu finden.
Elín zuckte mit den Schultern. „Na ja, so schlimm fand ich den jetzt nicht. Mit ’ner ordentlichen Erziehung kriegt man den bestimmt wieder hin.“
Thanju schnaufte. „Letztes Jahr wäre einer der erfahrensten Kämpfer beinahe von ihm getötet worden. Dass du ihn so leicht abwehren konntest, zeigt entweder, dass er geschwächt war oder du außergewöhnlich stark bist.“
„Ach, echt? Hmm. Ich tippe auf das Zweite! Kein Wunder, dass er abgehauen ist!“, sagte sie stolz.
„Auch auf die Gefahr hin, dich vor den Kopf zu stoßen, aber ich behaupte einfach mal, dass das daran lag, dass er gegen zwei von uns entschieden unterlegen gewesen wäre.“
„Uhh!“ Elín blieb stehen und tippte ihm spielerisch auf die harte Brust. „Mein lieber Ju, war das gerade Ironie, die ich da vernahm? Du überraschst mich.“
Bevor er sich wegdrehte und weiterging, konnte sie ein leichtes Grinsen in seinem Gesicht entdecken, und lief ihm zufrieden hinterher.
„Wenn Lektion Eins jetzt also ausfällt, was machen wir dann den Rest der Nacht?“ Sie fragte es ohne Hintergedanken und wurde sogleich dafür bestraft.
Ju, der eben noch zwei Meter vor ihr gegangen war, verschwand urplötzlich, noch ehe sie es wirklich realisieren konnte. Und der Klaps, der nicht mal eine Sekunde später auf ihrer linken Pobacke landete, erschreckte Elín so sehr, dass sie außer Reichweite sprang und empört „Aua!“ rief. Mit aufgerissenem Mund starrte sie den riesigen Akkadier an, der in diesem Moment das schönste schiefe Schmunzeln besaß, das sie je gesehen hatte. „Na sag mal! Das kann jawohl nicht wahr sein!“
„Wir kämpfen“, sagte er gedehnt und mit viel zu viel Freude in der rauen Stimme. „Wo du dich doch eben so schön aufgewärmt hast!“
Er verschwand im Dunkel der Höhle, die sie eben erreicht hatten, und kam mit nacktem Oberkörper wieder heraus.
Elín schluckte.
Wie oft sie ihn auch unbekleidet sehen mochte, an diesen Anblick würde sie sich wohl nie gewöhnen. Ihn nicht zu betrachten, erschien ihr unmöglich. Muskelstränge wechselten sich mit Narben ab und obwohl dies einst fürchterliche Verletzungen gewesen sein mussten, gefielen ihr die Male.
„Wo hast du die nur alle her?“, fragte sie frei heraus und musterte ihn ungeniert.
Ju blickte an sich hinab, als müsste er nachsehen, was genau sie meinte. Und schaute ihr mit einem Schulterzucken wieder in die Augen. „Vor tausend Jahren war die Welt noch eine andere.“
Es gab sicher Menschen, die jetzt entsetzt den Kopf geschüttelt hätten, sich nicht vorstellen mochten, wie jung er gewesen war, als er diese Qualen hatte ertragen müssen. Elín aber sah den gestandenen Krieger vor sich, sah einen Mann, der jede Narbe als Teil seines Wesens betrachtete, und bewunderte ihn dafür. Für die Stärke, die er so selbstverständlich an den Tag legte. Für die Prinzipien, die er gnadenlos verfolgte. Und besonders für den kleinen, weichen Kern in seinem Inneren, der trotz allem überdauert hatte.
„Stehen dir gut!“, gab Elín zu.
Der Akkadier wirkte irritiert, hob dann aber ganz leicht sein Kinn. Oh ja, das war Stolz, der ihn erfüllte. Plötzlich blitzte an seiner linken Schulter die Pfote der Bestie hervor, als wäre sie gerade ein Stück nach vorn gekrabbelt.
„Muss ich mich jetzt eigentlich auch oben rum frei machen?“, lenkte Elín ab.
Ein breites und sehr ehrliches Grinsen stahl sich auf sein Gesicht, bevor er den Blick senkte, kurz auf ihrem Körper verweilen ließ und sich dann umdrehte. Das Bild seiner Bestie brannte und dieses Mal war sich Elín sicher, dass sie sich das nicht einbildete.
Ich krieg dich schon
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