Liebe auf den letzten Blick
schlüpft ins passende Jackett.
Während er das duftende Gratiné und die Steaks aufträgt, gießt Amelie Prosecco ein. Als alle versorgt sind, erhebt sie mit feierlicher Miene ihr Glas.
»Auf die Prosecco-Panther. Mögen sie ewig zusammen bleiben!«
Es überrascht mich nicht, dass ihr Blick bei den letzten Worten auf Gustl ruht.
Wir lassen die Gläser klingen und nehmen alle einen großen Schluck.
Irma, die sich in ein knallrotes Schlauchkleid eines japanischenModemachers gehüllt und die Lippen im gleichen Farbton betont hat, kichert. »Man könnte auch sagen – bis ins Grab!«
Gustl stellt sein Glas ab und starrt ins Leere. »Seid ihr eigentlich auf den Tod vorbereitet?«, fragt er unvermittelt.
Offensichtlich ist er mit seinen Gedanken bei Susanne.
Betretenes Schweigen breitet sich aus. Wer ist schon auf
diese
Frage vorbereitet? Und was soll man darauf antworten?
»Ich habe ein tolles schwarzes Kleid!«, bemerkt Amelie schließlich. Sie zeichnet mit beiden Händen ein ziemlich großes Dekolleté. »Mir fehlen nur noch eine schicke große Sonnenbrille und ein scharfer Hut dazu. Einer mit Schleier, versteht sich. In Filmen sieht das immer so schön dramatisch aus.«
Typisch Amelie! Für sie herrscht sogar auf dem Friedhof Feieralarm. Und ich wette, dass sie ihre Beerdigung als fröhliche Party mit lauter Musik und reichlich Alkohol organisiert haben möchte. Gustl findet das vermutlich weniger lustig. Doch zu meiner Überraschung verzieht er plötzlich das Gesicht und lacht auf. Befreit lachen wir mit ihm.
Amelie sendet Irma und mir einen triumphierenden Blick, der uns signalisiert, dass sie mit Gustls Trauer umzugehen weiß. Und vor allem, wie sie ihn auf andere Gedanken bringen kann.
Aber auch mich hat sie mal wieder für sich gewonnen. »Na dann, auf die Ewigkeit!«, erkläre ich launig.
Wir trinken alle einen Schluck und widmen uns dann dem köstlichen Essen.
»Gustl, es schmeckt einfach himmlisch«, lobe ich unseren Meisterkoch nach den ersten Bissen.
»Hmm, du kannst mit jedem Sterne-Restaurant konkurrieren«, murmelt Irma kauend.
Amelie fügt noch »Ich könnt mich reinlegen« hinzu, wobei sie das letzte Wort über den Tisch
haucht
.
Irma zwinkert mir verschwörerisch zu, was ich schmunzelnd erwidere. Gustl hat längst spitzgekriegt, dass Amelie heißer als ein Waffeleisen ist.
»Danke, die Damen«, entgegnet er geschmeichelt. »Aber ihr wisst ja, ich koche leidenschaftlich gern. Und wie heißt es so treffend? Kochen ist der Sex des Alters!«
»Wahrscheinlich leiden deshalb die meisten im Alter unter Übergewicht«, erwidere ich.
Amelie schneidet sich ein Stück Fleisch ab, schiebt es in den Mund und verdreht beim Kauen verzückt die Augen. Dann tupft sie sich anmutig den Mund ab und sagt: »Diabetes soll auch eine Folge von zu viel Essen und zu wenig Sex sein.«
»Sag bloß«, prustet Irma los und verschluckt sich am Gratiné.
Ich klopfe ihr auf den Rücken. Gustl füllt eilig ihr Wasserglas auf.
Später, beim Anschneiden des Schokokuchens, fragt Amelie mit unschuldigem Augenklimpern in die Runde: »Wie wär’s mit einem kleinen Würfelspiel?«
Dass daran irgendetwas faul ist, merkt sogar Gustl, der normalerweise niemanden zweideutige Absichten unterstellt.
»Also ich kenne nur Mensch-ärgere-dich-nicht«, sagt er irritiert.
»Das Spiel wird dir gefallen«, orakelt Amelie und fährt sich durch die blonden Locken.
Alarmiert hake ich nach: »Du willst doch nicht etwa Strip-Poker mit uns spielen?«
»Eigentlich nicht«, antwortet sie mit unergründlicher Miene.
Nachdem wir den Tisch abgeräumt und das Geschirr in derSpülmaschine verstaut haben, kredenzt Gustl noch süßen türkischen Mokka. »Damit wir nicht vorzeitig schlappmachen«, zwinkert er Amelie zu.
Sie blinzelt zurück und eilt hinaus.
Als sie zurückkommt, verteilt sie an jeden einen Würfel und behält einen für sich. »Da stehen berühmte Persönlichkeiten oder verschiedene Aktivitäten drauf«, erklärt sie. »Es wird reihum –«
»Ich hab
Marathonlauf
gewürfelt!«, ruft Irma dazwischen. »Und was ist daran lustig? Soll ich vielleicht einmal durch die Stadt rennen? Das überlebe ich nicht – und meine sündhaft teuren Manolos sowieso nicht.«
Amelie taxiert Irma mit vorwurfsvollem Blick. »Nun warte doch ab, ich will ja gerade erklären …«
»Na, dann aber dalli. In unserem Alter ist jede Minute kostbar«, antwortet Irma.
»Schon gut … Also ich dachte an eine Art Scharade. Das wird bestimmt lustig«,
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