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Liebe in groben Zügen

Liebe in groben Zügen

Titel: Liebe in groben Zügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Kirchhoff
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Hotel Brenzone das seenahste Balkonzimmer mit Blick zu einer Felswand auf der anderen Seite, auf ihrem Grat ein Kloster. Und weiter südlich oder linker Hand ein Blick bis nach Gargnano mit der schlösschenartigen Villa Feltrinelli, durch sein Fernglas gut zu sehen, wenn sich der Dunst gehoben hatte. Das Zimmer war einfach, aber mit schnellem Internet; nach der gestrigen Ankunft gleich die Mail von der vermissten Waffe – eine dumme Sache, so dumm wie die Waffe selbst oder alle Worte rund um eine vermisste Waffe, einschließlich der, dass es von vornherein sein Plan war, bei dem Treffen mit Cornelius in der Kapelle von Campo die Waffe zu holen, um sie wieder ins Haus zu legen, ohne die kaputten Patronen. Der Gegenstand wird wieder auftauchen, hatte er Renz geantwortet, der Wintermieter eher nicht. Und Sizilien: beneidenswert! Danach noch eine Mail an Kilian-Siedenburg, darin nur genauste Koordinaten der Kapelle nach Google Earth samt einem Zeitvorschlag. Und die Bestätigung ebenso knapp, ein einziges Wort, Venibo, genaues Latein, er werde kommen.
    Ichliebedich waren dagegen flüchtige Angaben, Koordinaten nur für den Moment, die verschwindende Dauer, die es braucht, um drei Wörter wie ein einziges auszusprechen, ein Punkt ohne Umgebung, keine Kapelle, kein Ort, kein anderswo, kein weiterer Sinn, ichliebedich, Amen – Gedanken beim Schwimmen, immer schon das klärendste Element, Wasser, und die Anstrengungen, es zu teilen, sich darin fortzubewegen, nicht unterzugehen. Bühl schwamm gegen Mittag, das Wasser kühler als vor Torri, schon das des nördlichen Sees mit seinen Bergen über beiden Ufern; der ganze Tag gehörte ihm noch, das Wiedersehen mit Cornelius erst morgen. Er schwamm weit hinaus, bis in der klaren Luft am Nordende des Sees ein Kirchturm von Riva auftauchte, halb über der Wasserlinie: Beweis für das Rund der Erde, der größte Teil der Kugel vor ihm, wenn er am Ende wieder auf Vila stoßen wollte. Das kühle Wasser nimmt den Gedanken die Stumpfheit, es macht sie scharf, ein Wasser wie das bei Aarlingen, wenn sie im September zum letzten Mal geschwommen sind, Seite an Seite bis zur Mitte des Seearms, wo das eigene Land endet und ein anderes anfängt, und hinterher an ihren geheimen Platz gehen, in eine Sonne, die kaum noch die Kraft hat, sie zu trocknen. Also reiben sie sich trocken, mit ihren Hemden und dünnen Internatshandtüchern, um danach für eine Arbeit zu lernen – Stochastik, unvergesslich, da hat ihm der Freund geholfen, schon immer in Zahlen zu Hause, und er hat dafür den Catull erklärt, Quaeris, quot mihi basiationes tuae, Lesbia, sint satis superque? Wie viele Küsse es braucht, so fragst du, Lesbia, dass sie mein Verlangen stillen? Und auf einmal sein Mund auf dem des Freundes, ganz leicht, nur ein Kosten, und auch umgekehrt kaum mehr, höchstens so viel mehr, dass er selbst noch etwas mehr davon wollte, oder die Lippenpaare, vom langen Schwimmen noch geriffelt wie die Fingerkuppen, ihrer eigenen Wege gehen, als sei ihnen alles Heikle übertragen worden – auf Cornelius’ Seite eine ungewohnte Passivität, keinerlei Mittun, aber auch kein Nein. Erste Küsse sind Geburten ohne fremde Hilfe, man bringt einander auf die Welt und weiß nicht einmal, auf welche. Und anschließend kein Wort, sie haben nur eine geraucht und sind zurück ins Heim gegangen, in ihr Zimmer, und haben Musik gehört, immer wieder Smoke on the water, die Lieblingsnummer von Cornelius, über seinem Klappbett ein Deep-Purple-Plakat. Und beim Musikhören an diesem Sonntag, vor sich eine Woche mit Mathe- und Lateinarbeit, glauben sie etwas von der Welt, auf die sie sich gegenseitig geholt haben, zu spüren: Das sind sie, die Akkorde, die durch Mark und Bein gehen. Und am Ende tanzen sie im Zimmer, verrückter als an jedem Tanzabend im Hesse-Saal, sie sind einander die besseren Mädchen, witziger und ohne Blicke für andere Jungs, und zuletzt geht jeder in sein Bett und hilft sich sonst wie in den Schlaf, er mit großartigen Bildern, gefeiertster Schwimmer bei Olympischen Spielen, ein amphibischer Ritter mit kurzem Haar. Der Raddampfer Italia fuhr fast in Rufweite vorbei, er gab sogar warnende Hornsignale, sein Kielwasser wie glattgestrichen, das pure Vergnügen, darin umzukehren.
    Und später im Zimmer eine gute Erschöpfung, das Denken noch beschleunigt, als würde er weiterschwimmen und nicht am Balkontisch sitzen, vor sich weißes Papier, so blendend in der Nachmittagssonne, dass er sich die Hand über die

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