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Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Liebe Isländer: Roman (German Edition)

Titel: Liebe Isländer: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Huldar Breiðfjörð
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die Entscheidung zu treffen, ob ich mein Nachtlager in Hvammstangi oder in Blönduós aufschlagen soll. Hauptsächlich aber genieße ich es, meine Fahrt durch die Westfjorde abgeschlossen zu haben, und entspanne mich. Nordisland ist mir vertrauter, und ich bin froh, endlich die bevorstehende Strecke zu kennen. Morgen werde ich Vatnsskarð überqueren, und die nächsten Tage werde ich nutzen, um mich im Skagafjörður umzusehen. In meiner Provinz.
    Am Nebentisch lehnt sich ein Paar in die Stühle, wettergebräunt, rüstig und in bunte Skianzüge gekleidet. Auf dem Tisch dampft es aus zwei weißen Kaffeebechern. Das ist, wie einer Kakao-Werbung zuzusehen. Warum sehe ich nicht so aus nach all den Strapazen auf dem Land? Ich selbst sitze gebeugt am Tisch. Beinahe zusammengekrümmt. Den Kopf zwischen die Schultern geklemmt, eine glimmende Kippe in der Gusche. Als ich mir dessen bewusst werde, merke ich, wie steif und verkrampft ich bin. Ich fühle mich, als wäre ich eines Morgens zu spät aufgewacht und viele Wochen lang durch einen Schneesturm zum Auto gelaufen. Also versuche ich, etwas locker zu lassen. Lasse die Schultern sinken und lehne mich im Stuhl zurück. So wie das Paar.
    Aber bald gehen sie mir auf die Nerven. Was glauben sie denn zu sein? Sie geben sich so unausstehlich geziert. Sind heute fünfmal in ihren feinen Skianzügen die eingezäunte Abfahrt hinuntergefahren. Unter den Blicken des Sicherheitspersonals. Und nippen nun nach all der »Plackerei« an ihrem Kaffee in Staðarskáli. Sie haben keine Ahnung davon, was ich auszuhalten hatte. Sind sie schon mal im Januardurch das Djúp gefahren? Oder haben sie bei vierzehn Grad minus die Nacht verbracht?
    Es ist schon dunkel, als ich wieder losfahre. Am sternenklaren Himmel schneidet der haarscharfe Mond die Nordlichter in Scheiben. Mit regelmäßigem Abstand brechen Scheinwerfer aus dem Dunkel und schießen dann vorbei wie Kometen. Dazwischen ist alles schwarz, und der Wagen verfolgt das langgezogene Lichtdreieck, das auf die Nationalstraße fällt. Kurz bevor ich nach Víðihlíð komme, stürzt ein Meteorit senkrecht auf die Erde nieder und zieht dabei einen weißen Lichtstreif hinter sich her. Während er verglüht, wird das Dunkel plötzlich zu einer leuchtend grünen, taghellen Mittagsstunde. Einen Augenblick lang habe ich den Eindruck, mich in der Zukunft zu befinden.
    Ich übernachte in Blönduós.

Gibst du auf?
     
    Meistens ist es angenehm, im Auto aufzuwachen. Besonders, wenn die Sonne durch die Gardinen scheint und das Licht innen weich wird. Fast wie eine Umarmung. Im Moment liege ich jedoch im Schlafsack und schlottere vor Kälte. So eine Mistkälte. Nase und Ohren sind ganz taub, und wahrscheinlich befindet sich meine Stirn in einer Schraubzwinge, die die Schläfen zusammenpresst. Ich kann meine Zehen nicht spüren.
    Zum Glück habe ich den Wagen hinter dem Kiosk der Olís-Tankstelle, die sich an dem einen Ortsende befindet, abgestellt. In weniger als einer halben Minute springe ich aus dem Schlafsack, steige in die Schuhe, laufe durch den frostigen, kalten Sonnenscheintag und in den Kiosk hinein, wo ich mir Kaffee in eine Tasse einschenke aus einer dieser witzigen, silberfarbenen Kannen, auf die man oben draufdrückt, so dass der Kaffee herausspritzt. Es macht immer Spaß, auf den Knopf zu drücken und herauszufinden, wie viel noch in der Kanne ist. Muss man fest drücken und ganz bis zum Anschlag? Oder ist die Kanne voll? Dann darf man den Knopf nur gerade so berühren. Die kleinen Details, die sind wichtig.
    Ich setze mich an einen Fenstertisch und warte, dass mir warm wird, der Kaffee abkühlt; dass wir zusammenpassen. Vor dem Ladentisch stehen drei junge Mädchen und beginnen den Tag mit Cola und Schokolade. Ansonsten ist der Kiosk leer, und ich bin wahrscheinlich der Einzige, der dem schwermütigen Nachrichtensprecher im Radio überhaupt ein wenig Aufmerksamkeit schenkt. Er liest Nachrichten von Messerstechereien und Schlägereien im Zentrum von Reykjavík. Fragt denn gar niemand mehr: »Gibst du auf?«
    Draußen vor dem Fenster wartet ein schöner Tag. Wartet ist genau das richtige Wort. Es ist noch niemand unterwegs, und der Tag ist noch ganz frisch. So rein, hell und unbenutzt. Später wird er sich unter dem goldenen Tor im Westen verneigen und wie ein kaum wahrnehmbarer Diener verschwinden, der nach pausenlosen Besorgungen und Verrichtungen heimgeht, ohne dass es irgendjemand bemerkt. Wird man auf dem Land romantischer, oder bin ich

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