Liebe ist jenseits von Gut und Böse (Die Ostküsten-Reihe) (German Edition)
ließ.
Bewaffnet mit der dampfenden Teetasse, kehrte er ins Wohnzimmer zurück und warf einen Blick auf die große Wanduhr über dem Kamin, auf dessen Sims unzählige Familienfotos in liebevoll gestalteten Rahmen standen. Es war vier Uhr zweiundfünfzig morgens und damit noch genau zwei Stunden bis zum Sonnenaufgang.
„Kannst du nicht schlafen?“
Daniel zuckte heftig zusammen und fuhr herum, um im nächsten Moment schmerzerfüllt aufzustöhnen, weil sich durch die abrupte Bewegung ein Schwall heißer Tee über seine Hand ergoss.
„Scheiße“, fluchte er, stellte die Tasse auf den Couchtisch und pustete dann auf seine Hand, was den Schmerz nicht linderte. Im Gegenteil, er schien nur noch stärker zu werden. „Verdammt, tut das weh.“
Tristan hielt sich nicht mit einer Entschuldigung auf. „Lass kaltes Wasser über deine Hand laufen“, befahl er und deutete in Richtung Küche. „Sonst riskierst du eine mittlere Verbrennung.“
Daniel tat, was der ältere Bennett verlangte und als er kurz darauf wieder ins Wohnzimmer zurückkehrte, hatte Tristan bereits einen Verbandskasten geholt, aus dem er gerade Brandsalbe, eine sterile Kompresse und eine Mullbinde nahm.
„Du solltest dir einen Verband machen. Dad wird sich das später ansehen wollen, aber fürs Erste müsste es reichen“, schlug Tristan vor und ließ sich in einem Sessel nieder.
Ein Stück weg von ihm, was Daniel erst ein paar Minuten später auffiel, nachdem er sich einen Verband angelegt hatte und gerade den Verbandskasten wieder einräumte. Er sah Tristan fragend an, was der mit einem Schulterzucken und einem Lächeln beantwortete, bevor er seinen Platz auf dem Sessel aufgab und sich zu ihm auf die Couch setzte, aber trotzdem auf Abstand blieb.
„Wie viel hat Connor dir eigentlich von mir erzählt?“, fragte Daniel daraufhin misstrauisch.
Tristans Verhalten sah sehr nach einem Test aus. Vielleicht eine Art psychologisches Spiel, so in der Form von 'Ich teste mal, wie er drauf ist und ob man ihm auf die Pelle rücken kann'. So etwas hatte er bereits erlebt und mochte es überhaupt nicht. Connor war da von Beginn an subtiler gewesen. Kein Wunder, bei dem, was ihm passiert war. Connor wusste vermutlich rein aus Instinkt was er in seiner Gegenwart tun durfte und was nicht. Tristan hatte diesen Vorteil nicht, das konnte er ihm kaum zum Vorwurf machen.
Trotzdem gefiel es Daniel nicht und das zeigte er auch deutlich, indem er nun selbst von Tristan abrückte und ans anderen Ende der Couch rutschte. Aber Connors Bruder schien es ihm nicht übel zu nehmen. Statt ihn irritiert oder gar wütend anzusehen, was Daniel insgeheim erwartet hatte, nickte Tristan leicht, bevor er sich seitlich setzte, ein Bein auf die Couch stützte und ihm dann offen ins Gesicht sah.
„Mein Bruder hat dein Geheimnis für sich behalten. Er verrät Freunde nicht, das hat er noch niemals getan. Alles, was ich weiß ist, dass du körperlich nicht berührt werden möchtest, weil andere Menschen dich schwer verletzt haben. Und daran halte ich mich.“
Daniel runzelte die Stirn. Tristan klang ehrlich und er glaubte ihm irgendwie auch, aber es war eben nicht Connor, dem er gerade gegenüber saß, sondern sein Bruder. Ein Fremder. Na ja, fast. Wie sollte er reagieren? Was konnte er sagen? Daniel war verunsichert und Tristan schien es ihm anzusehen. Andere durchschauen konnten die Bennetts offenbar alle sehr gut.
„Hast du Angst vor mir?“
Das war direkt und unverblümt, und stand im krassen Gegensatz zu Connors Art. Es gab also doch etwas, vom Äußerlichen abgesehen, das die Brüder gewaltig unterschied. Daniel wich zurück und ging in eine instinktive Abwehrhaltung über.
„Nein.“ Tristan schwieg, sah ihn nur an. Und machte Daniel damit unglaublich nervös. „Sollte ich denn?“, fragte er, um die Stille zu durchbrechen und verfluchte sich dafür, dass seine Stimme mit jedem Wort leiser wurde. Als Tristan immer noch nicht reagierte, verlor er die Geduld und sprang auf. „Hör auf damit.“ Daraufhin schenkte Tristan ihm ein offenes Lächeln, was Daniel seinen Ärger wieder vergessen ließ, weil ihn diese Reaktion mehr irritierte, als es ein wütender Angriff es je gekonnt hätte. „Was ist?“
„Das Leben ist zu kurz, um es in Angst zu verbringen“, erklärte Tristan und lehnte sich in die weichen Polster der Couch, das zweite Bein ebenfalls hochziehend.
Irgendwie wurde Daniel das Gefühl nicht los, dass Connors Bruder ihn gerade mit purer Absicht in einen
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