Lieber Onkel Ömer
essen!«, tönte es aus dem
kleinen Apparat.
»Osman, ich hab ja natürlich vollstes Verständnis für deine Religion. Aber wie ist es denn so, dürft ihr Moslems etwa den
ganzen Monat gar nichts essen, oder was?«, kam wie erwartet die zweite obligatorische Frage des Prototyp-Deutschen zur Ramadanzeit.
»Nein, gar nichts! Wir dürfen den ganzen Monat überhaupt nichts essen.Mit Ausnahme von Köfte, Döner, gefüllten Paprikas, Börek,
gebratenen Zucchinis und Hähnchen – aber alles andere ist tabu!«, antwortete das kleine raffinierte Gerät wieder an meiner
Stelle, während ich weiterkaute.
»Das ist doch schrecklich, das hält doch kein Mensch aus«, rief Hans ganz schön mitfühlend.
»Nein, aber ein Türke schon!«, sagte die Kassette während ich schmatzte.
»Dürft ihr denn nicht mal was trinken?«, sagte Hans daraufhin ziemlich erschrocken und machte sich große Sorgen um mich.
»Nein, natürlich dürfen wir nichts trinken! Höchstens fünf Flaschen Bier und zehn Liter Ayran am Tag – prost«, rief der Kassettenrekorder,
und ich prostete mit vollem Mund und vollem Ayranglas meinem Kollegen zu.
»Osman, das ist ja nicht auszuhalten«, bedauerte er mich sichtlich traurig und fragte dann mit lüsternen Augen, »sei mal ehrlich,
man hört ja so vieles: Darfst du denn nicht mal mit deiner eigenen Frau schlafen?«
|199| »Richtig, mit der eigenen Frau zu schlafen ist im Ramadan eine große Sünde – alle anderen Frauen sind selbstverständlich erlaubt«,
erklärte mein winziger Kassettenrekorder und machte Hans noch lüsterner.
»Was für eine Verschwendung! Wofür füttert ihr dann die ganze Zeit vier Ehefrauen?«, rief plötzlich mein Meister Viehtreiber,
der wohl unser Gespräch belauscht hatte, völlig außerplanmäßig dazwischen.
»Meister, du musst noch etwas warten. Diese Frage hat mit dem Ramadan nichts zu tun. Die üblichen nervigen Fragen im Alltag
werden in der nächsten Pause beantwortet. Dafür muss ich erst die Kassette mit dem Titel »Die alte Leier. Voljum fünfzehn«
rausholen. Während des Mittagessens antworte ich nur auf die Fastenfragen«, sagte ich ihm und kaute genüsslich auf meiner
gefüllten Paprika rum.
Lieber Onkel Ömer, ich überlege mir mittlerweile ernsthaft, diese Kassette als CD aufzunehmen und professionell zu vertreiben.
Alle Türken sowie die ganzen Moslems in Deutschland wären mir unglaublich dankbar, und ich würde ein Vermögen machen.
Ach, bevor ich es vergesse, wollte ich Dich noch um was bitten. Gestern rief nämlich mein Vater an und sagte:
»Merhaba, mein lieber Sohn Osman, wie geht’s euch denn so in Deutschland? Ich rufe an, um euch … warte mal, deine Mutter rammt
mir hier in dieser winzigen Telefonzelle ständig die Ellbogen in die Rippen, damit ich euch von ihr auch schön grüßen soll.
Hast du gehört, deine Mutter grüßt euch schön. Und deine Tanten, Ömers-Frau-Ülkü |200| , Vielfraß-Güllü und Vieltratsch-Zilli, grüßen dich und deine Familie natürlich auch ganz, ganz herzlich. Auch deren arme
Männer, der Dickbauch-Ömer, der Steinkopf-Nurettin und der Plattfuß-Tacettin, haben dicke Grüße für euch bestellt. Deine Cousins,
dieser Macho-Nurullah und der Hasenfuß-Abdullah, grüßen euch auch. Die Kinder von Macho-Nurullah, Stur-Recayi, Faul-Zekayi
und Luder-Rubayi, küssen euch mit viel Respekt die Hände. Und auch von Hasenfuß-Abdullahs Kindern, Dünn-Rukiye, Zwerg-Ulviye
und Tölpel-S¸aziye, soll ich euch tausend Grüße und Küsse schicken. Deine Schwager, Nichtsnutz-Ali, Langschläfer-Veli und
der Drückeberger-Nuri, lassen euch alles Gute wünschen. Ach ja, und von unserem lieben Dorfvorsteher Süßholzraspler-Hüsnü
und seiner Frau Alleswisser-Zühtü soll ich euch auch ganz besonders grüßen. Osman, du weißt doch, warum die dritte Frau von
unserem Dorfvorsteher einen männlichen Vornamen hat, nicht wahr? Wie … weißt du nicht? Aber ich hab jetzt überhaupt keine
Zeit, dir das zu erklären. Unsere Nachbarn, der Hirte-Kemal und Baum-Cemal, lassen euch nämlich auch die allerbesten Wünsche
übermitteln. Von Hirte-Kemals Weib, Tausendfüßler-Zeliha, soll ich deine Frau Eminanim auf beide Wangen mit besonders viel
Spucke küssen. Und fast hätte ich’s vergessen, natürlich auch dein guter Freund Mahmut …«, sagte er noch, aber da unterbrach
ich ihn und rief:
»Vater, welchen Mahmut meinst du denn? Den Politiker-Mahmut, den Truthahn-Mahmut oder den
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