Liebesdienste / Roman
Frauen attraktiver würde, dass er sich ein wenig Charisma von seinem interessanteren Alter Ego, Alex Blake, würde leihen können. Aber es hatte sich nichts geändert, ihn umgab offenbar eine Aura der Unberührbarkeit. Er gehörte zu der Kategorie, die am Ende einer Party in der Küche stand und Gläser spülte. »Du wirkst einfach asexuell, Martin«, hatte einmal ein Mädchen zu ihm gesagt in dem Glauben, ihm damit zu helfen.
Hätte es eine Website gegeben, die für »altmodische britische Bräute (aber nicht wie Ihre Mutter)« warb, hätte er sich angemeldet, es gab jedoch keine, und so hatte er sich zuerst die Thai-Bräute angeschaut (»zierlich, sexy, aufmerksam, liebevoll, gefügig«), nur war ihm allein die Vorstellung schon zu
schmierig
. Ein paar Monate zuvor hatte er bei John Lewis so ein Paar gesehen – ein hässlicher, übergewichtiger Mann mittleren Alters und an seinem Arm dieses schöne
winzige
Mädchen, das ihn anlächelte und anlachte, als wäre er ein Gott. Die Leute starrten sie an.
Wissend
. Sie sah so aus wie die Mädchen im Internet – verletzlich und klein, wie ein Kind. Er fühlte sich mies, als hätte er eine pornografische Seite aufgerufen. Er würde lieber sterben, als das tun – er hatte Angst, dass sie überwacht wurden, und wenn er aus Neugier nur kurz einmal »Komm rein« oder »Sexy Fotos« anklickte, stünde im nächsten Moment die Polizei vor seiner Tür, die Polizisten würden sie aufbrechen, hereinstürmen und ihn verhaften. Ebenso peinlich wäre es ihm, wenn er etwas aus dem obersten Regalfach eines Zeitungshändlers kaufen würde. Er wusste (denn auch das gehörte zu seinem Karma), wenn er mit so einem Heft zur Kasse ginge, würde das Mädchen (denn es wäre ein Mädchen) dem Manager zurufen: »Wie viel kostet
Große Titten
?« Oder wenn er sich etwas mit der Post schicken ließe, würde es just in dem Augenblick aus dem Umschlag fallen, in dem der Briefträger es ihm an der Tür aushändigte – und zweifellos würden genau in dem Moment ein Pfarrer, eine alte Frau und ein kleines Kind vorbeigehen.
Die Gute hat was von einer Heiligen und ist führend, auch im Namen einer Krimiautorin
. Sechs Buchstaben.
Agatha
.
Die russischen Bräute im Internet sahen nicht wie Kinder aus und auch nicht besonders gefügig. Die Ludmillas und Swetlanas und Lenas sahen wie Frauen aus, die wussten, was sie taten (sich verkaufen, seien wir ehrlich). Sie verfügten über eine erstaunliche Bandbreite an Eigenschaften und Talenten, sie mochten »Disco« ebenso wie »klassische Musik«, sie gingen gern in Museen und Parks, sie lasen Zeitungen und Romane, sie hielten sich fit und sprachen fließend mehrere Sprachen, sie arbeiteten als Steuerberaterinnen und Betriebswirtinnen, sie waren »ernsthaft«, »liebenswürdig«, »zielbewusst« und »elegant«, sie wollten einen »anständigen Mann«, »freundliche Gespräche« und »Romantik«. Es war kaum zu glauben, dass diese prägnanten Lebensläufe zu lebenden, atmenden Frauen gehörten, aber da waren sie – sie trieben nicht im virtuellen Raum, sondern die Ludmillas, Swetlanas und Lenas oder ihre Äquivalente befanden sich hinter einer großen Holztür in den (etwas angsteinflößenden) Straßen von St. Petersburg. Bei dieser Vorstellung begann er innerlich vor Schreck zu zittern. Er erkannte das Gefühl: Es war nicht Verlangen, es war Versuchung. Er konnte haben, was er wollte, er konnte sich eine Ehefrau kaufen. Selbstverständlich glaubte er nicht, dass sie sich tatsächlich
in
dem Gebäude aufhielten, eingesperrt hinter den abblätternden Mauern. Aber sie waren in der Nähe. In der Stadt. Und warteten.
Martin hatte eine Idealfrau. Nicht Nina Riley, nicht eine gekaufte Braut, der es um ökonomische Sicherheit oder einen Pass ging, nein, seine Idealfrau stammte aus der Vergangenheit – eine altmodische Frau aus den Home Counties, eine junge Witwe, die ihren Mann, einen Kampfpiloten, in der Schlacht um Großbritannien verloren hatte und jetzt tapfer weiterkämpfte und ihr Kind allein aufzog.
Papa ist gestorben, Schatz, er sah gut aus und war tapfer und kämpfte um sein Leben, damit er bei dir bleiben konnte, aber er musste uns verlassen.
Das Kind, ein ziemlich ernster Junge namens Peter oder David, trug Fair-Isle-Pullover über grauen Hemden. Er hatte Brillantine im Haar und aufgeschürfte Knie und tat nichts lieber, als am Abend mit Martin Flugzeuge zu basteln.
(So eines ist doch Papa geflogen, oder?)
Martin machte es nichts aus, nur die
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