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Liebling, vergiss die Socken nicht

Liebling, vergiss die Socken nicht

Titel: Liebling, vergiss die Socken nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maeve Haran
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morgendliche Rush-Hour war gerade vorbei, als Ally, mit einem riesigen Stadtplan auf dem Beifahrersitz, auf den Kreisverkehr am Ende der West Road zusteuerte. Sie fuhr weiter in Richtung Holland Park. Diesen Teil von London kannte sie nicht, und sie hoffte, dass sie sich nicht verfahren würde. Zumindest erkannte sie eine Ecke wieder: die Portobello Road.
    Vor vielen Jahren, als Matt und sie nach London gezogen waren, hatten sie oft den Trödelmarkt abgegrast, um nach Schnäppchen zu suchen. Silberne Serviettenringe, vergoldete Bilderrahmen, hübsche Tonarbeiten. Sie hatten damals zwar kaum einen Penny in der Tasche gehabt, dafür aber das wenige mit um so größerem Vergnügen ausgegeben. Matts neuer Job war für beide so aufregend und gleichzeitig so unberechenbar gewesen, dass sie sich im ersten Jahr gefühlt hatten wie auf einem Karussell, das jeden Augenblick quietschend zum Stehen kommen und sie abwerfen konnte. Deshalb hatten sie ihre Wohnung in der Nähe von MidWest TV behalten und sich in London eine gemietet. Sie befand sich in einem großen, alten Haus in der Nähe von St. Pauls Cathedral und war mit dem scheußlichsten Mobiliar eingerichtet, das die beiden je gesehen hatten.
    Als sie eines Samstags, es war um den Valentinstag herum gewesen, die Portobello Road herunterspazierten, hatte Matt an einem Stand einen herzförmigen Spiegel entdeckt, der nur aus Muscheln gefertigt war. Er hatte darauf bestanden, ihr diesen Spiegel zu schenken, auch wenn er soviel kostete wie eine Wochenmiete für ihre Wohnung. Das Stück hing immer noch in ihrem Schlafzimmer. Nur, dass es nicht mehr ihr gemeinsames Schlafzimmer war.
    Während sie langsam durch die Straßen fuhr, verdrängte Ally die Bilder aus glücklichen Zeiten. Sie musste versuchen, Janey zu finden. An der Ecke zur U-Bahn-Station von Notting Hill entdeckte sie eine Telefonzelle und stellte den Wagen ab, um sich bei Jess zu erkundigen, ob Matt angerufen hatte oder vielleicht sogar Janey.
    Beim dritten Läuten nahm Jess ab.
    »Jess, Darling, hat sich irgend jemand gemeldet?«
    »Nur Granola. Ich hab‘ ihr die Story vom Pferd erzählt, sonst hätte sie die Polizei aus sieben Grafschaften zusammengetrommelt. Ja, und dann Bernie Long. Du hättest irgendeine Konferenz gehabt.«
    »Was hast du ihm gesagt?«
    »Dass du nicht da bist und es vergessen haben musst.«
    »Braves Kind.« Ally dachte daran, dass sie Bernie wahrscheinlich einbeziehen konnte, falls sie wirklich verzweifelt war. »Nichts von Janey oder Dad?«
    »Nein. Soll ich ihn noch mal anrufen?«
    »Ja, warum nicht. Ich melde mich später wieder.«
    Ally ging zu ihrem Wagen zurück und fuhr bis ans obere Ende der Portobello Road. Sie war erstaunt, wie sehr sich hier alles verändert hatte. Die Fassaden leuchteten in einer Palette von Pastelltönen, jedes Haus in einer anderen Schattierung. Blasses, mandelblütenfarbenes Pink, Pistaziengrün, Elfenbeinbeige, Wedgewoodblau, Schlüsselblumengelb. Geranien mit efeuförmigen Blättern fielen aus Terracottatöpfen und Ampeln, berührten herabhängende Lobelien und leuchtendrote Petunien. Die Haustüren waren in Hochglanzfarben gestrichen und das Messing poliert. Allmählich fühlte Ally sich beruhigter. Dezenter Wohlstand - in einer solchen Gegend konnte Janey sicher nichts passieren.
    Aber nach der Kreuzung zu Westbourne Grove gab es dann mehr und mehr Antiquitätengeschäfte, die während der Woche mit Stahlgittern verschlossen waren. Die Kneipen begannen furchterregender auszusehen. Schließlich wurden die Antiquitätenläden von den Gemüse- und Früchteständen eines herkömmlichen Straßenmarkts abgelöst.
    Ally entdeckte eine Parkuhr und beschloss, den Wagen abzustellen. Laut Stadtplan war die Divinity Road nicht mehr weit entfernt. Nachdem sie geparkt hatte, spürte sie, wie hungrig sie war. Als sie auf die Straßenüberführung zusteuerte, kam sie sich fast vor wie in einer Zeitmaschine. Vor jedem Laden flatterten indische Drucke und Batikkleider sanft im Wind. An Schallplattenständen wurden alte LPs von Tangerine Dream und Grateful Dead verkauft. Hier in der Portobello Road herrschte wieder die Hippiezeit. Von ferne konnte sie sogar den schwachen Gesang von »Hare Rama, Hare Rama, Rama, Rama, Hare Hare‹ der orangegekleideten Anhänger Hare Krishnas hören. Was hatte sie eigentlich für Probleme? Wenigstens hatte Janey sich nicht dieser Gruppe angeschlossen.
    Nach diesem Ausbruch von Exotik erschien ihr die vertraute Eintönigkeit von Woolworth

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