Lieblingsmomente: Roman
mein ganzes Ich.
»Oli wird gar nichts sagen. Das tut er schon eine ganze Weile nicht mehr.«
»Das glaubst du doch selbst nicht.«
Sie ist noch immer wütend, aber sie schreit mich nicht mehr an. In ihre Stimme mischt sich eine kleine Portion Verwirrung und ein bisschen Sorge.
»Weißt du, wie es ist, nach Hause zu kommen und alleine zu sein?«
Die Frage ist vielleicht ungeschickt gewählt, aber ich hoffe, Beccie wird trotzdem verstehen, was ich meine.
»Du hast Oli, du bist nicht alleine.«
»Nein, Beccie, du verstehst nicht. Ich bin nach Hause gekommen und war alleine – obwohl Oli da war. Wir reden schon länger nicht mehr. Er sieht mich nicht mehr. Und er liebt mich auch nicht mehr.«
Ich habe es ausgesprochen. Zum ersten Mal seit der Trennung habe ich es ausgesprochen. Jetzt ist es offiziell und real. Es ist nicht nur in meinem Kopf und in meinem Leben. Es ist da draußen. Ich kann meinen Beziehungsstatus bei Facebook ändern, und die ganze Welt wird wissen, es gibt uns nicht mehr. Es gibt uns nicht mehr, es gibt nur noch ihn oder mich.
»Das ist Quatsch, Süße. Er liebt dich ganz sicher.«
Ich schüttele den Kopf und zucke hilflos mit den Schultern.
»Wir haben uns getrennt.«
Ich breche ihr so ungern das Herz und raube ihr damit die Illusion der perfekten Beziehung, aber es laut zu sagen, hilft mir. Also tue ich es sofort noch einmal.
»Wir sind nicht mehr zusammen.«
Beccies Gesicht zeigt sofort, wie sie sich fühlt, und es tut mir leid.
»Wegen Tristan?«
Ich will fast lachen. Sage ich Ja, versteht sie es falsch. Sage ich Nein, lüge ich. Es ist wegen Tristan. Aber eben nicht unbedingt wegen dem »Mann« Tristan. Auch wenn der einen gehörigen Teil dazu beigetragen hat. Es ist vor allem wegen dem »Gefühl« Tristan – zu ahnen und zu spüren, dass da mehr ist, dass mein Leben anders sein kann, dass meine alten großen Träume und Hoffnungen noch immer da sind, größer und drängender als je zuvor, und vor allem, dass ich sie mir erfüllen kann, erfüllen muss. Dass ich ein Leben leben kann, wie ich es mir wünsche. Dass ich ein Leben führen kann, das zu mir passt und wirklich mein Leben ist, voller Lieblingsmomente. Mit Oliver war das nicht mehr möglich. Das alles spüre ich erst, seit ich Tristan begegnet bin. Insofern: Ja, es ist wegen Tristan, aber es ist nicht wegen Tristan. Ich habe mir allerdings noch keine Kurzversion für diese Erklärung bereitgelegt.
»Es tut mir wirklich leid, Beccie. Ich weiß, wie sehr du Oli magst, aber es ging wirklich nicht mehr.«
»Warum?«
»Es hat nicht gereicht.«
»Das weißt du doch gar nicht.«
»Doch.«
Wir sehen uns an, sagen aber nichts. Ich merke, dass Beccie das Gesagte erst einmal verarbeiten muss. Und ich fühle mich schrecklich, weil ich ihr nicht schon viel früher gesagt habe, was mit mir los ist. Immerhin ist sie meine beste Freundin.
»Und bist du jetzt mit Tristan zusammen?«
»Nein.«
Ich nehme ihr meine Kamera aus der Hand und drücke dabei kurz ihren Arm.
»Ich muss zurück und mit ihm reden.«
Sie hat noch nicht ganz verstanden, das kann ich sehen, aber ich kann es nicht besser erklären. Nicht in diesem Moment.
»Ja. Mach das. Ich … gehe, glaube ich, nach Hause. Außer du brauchst mich.«
»Nein, danke. Das mache ich alleine.«
Ich verabschiede mich von Beccie und gehe ohne Beccie zurück in den Club.
Am Eingang beschleicht mich das Gefühl, dass es schwer wird, ihn zu finden. Schon auf dem Weg zur Bar muss ich meine Ellenbogen einsetzen, um überhaupt vorwärtszukommen. Es ist eng, es ist stickig, es ist eine typische Sommernacht in der Stuttgarter Clubszene. Ich habe so viele Abende erlebt, und sie waren genau wie dieser hier. Tanzende, schwitzende Körper, die diese Nacht zum Tag machen werden.
Aber ich suche nur einen Menschen in diesem Chaos: Tristan. Wir müssen reden. Über so vieles. Aber ich finde ihn nicht. Dafür schieben mich andere Menschen auf der Tanzfläche in eine Richtung, in die ich gar nicht will. Der Bass der Musik vibriert in meinem Magen, fremde Hände schieben mich ruppig zur Seite, und ich habe das Gefühl, kaum noch Luft zu bekommen. Ich gehöre nicht hierher. Nicht mehr. Das ist nicht meine Richtung. Ich muss hier raus! Aber zuerst muss ich Tristan finden. Oder habe ich ihn verloren? Ich kann ihn nirgends sehen. In meinem Kopf hämmert es wie verrückt. Die bunten Lichter, die hektisch über unsere Köpfe und Gesichter zucken, die sich irgendwie wiederholende Musik. So war es
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