Lieblingsmomente: Roman
jetzt gleich?«
»Ja, wir bauen den Grill auf und machen dann gleich den ersten Testlauf.«
Ich warte. Jetzt könnte er fragen, ob ich mit will. Er hat doch hoffentlich verstanden, wie wichtig es mir ist, dass wir wieder mehr zusammen unternehmen. Aber er steuert zielgerichtet auf die Tür zu. Er hat gesagt, ich soll ihm immer sagen, wenn mir etwas auf dem Herzen liegt. Und ich habe ihm versprochen, das zu tun. Also halte ich jetzt mein Versprechen.
»Ich würde gerne mitkommen.«
Er hat gesagt, ich solle nicht lange nachdenken und grübeln, sondern einfach sagen, was ich will. Es fühlt sich gut an, also stehe ich hier vor ihm und strahle.
»Zum Grillaufbauen?«
»Klaro. Und ich biete mich auch gerne als Testesser an.«
»Aber … wir waren doch die ganze Woche zusammen. Willst du nicht Beccie anrufen?«
Und da landet der linke Aufwärtshaken direkt im Ziel: zack, boom! Ich gehe wie ein nasser Sack zu Boden, also emotional gesehen, schaffe es aber noch, tapfer zu nicken, bevor er mich flüchtig küsst und dann zur Tür hinausgeht. Sicher, wir haben die ganze letzte Woche zusammen verbracht, aber wenn Männer einem über die Wange streichen und eine Träne wegwischen und dabei sagen, sie haben verstanden, was in uns vorgeht, dann ist das eine Lüge. Und auch wenn man es nicht glauben will: Sie hören uns vermutlich nicht einmal zu. Sie sehen durch uns hindurch und finden Gründe, sich um nichts Sorgen zu machen, während wir weiblichen Teilnehmer der Partnerschaft uns stundenlang Gedanken machen und am Ende die Schuld bei uns suchen. Egal welche. Es reicht. Ich mache jetzt auch einfach, was ich will, und denke nicht darüber nach. Auf was habe ich Lust?
Mein Laptop führt mich direkt zurück in die interaktive Welt von Facebook, wo ich die zahlreichen Benachrichtigungen auf meiner Seite gekonnt ignoriere und ohne Umschweife sofort auf Tristans Seite klicke. Ich will wissen, wie es ihm geht, was er macht, was in der Zwischenzeit in seinem Leben passiert ist, und ich will wissen, ob er mich vermisst. Ich sollte das nicht wollen, aber ich will es.
Schon am Freitag vor einer Woche hat er eine neue Statusmeldung hineingestellt, die mir erst jetzt auffällt.
Tristan Wolf vor zehn Tagen
ist mit Brett und Bus weg nach Südfrankreich.
Er ist weg! Er ist einfach so weg! Er hat sein Brett in den Bus gepackt, seine hübsche Helen bestimmt auch, und dann ist er durch halb Europa gefahren, um sich in Südfrankreich in die Wellen zu stürzen.
Sein Freund Björn hat fleißig auf seiner Seite kommentiert, fragt nach dem Wetter, dem Essen und den Wellen. Von Tristan aber ist keine Spur. Er scheint es jenseits der Grenze viel länger auszuhalten als mein Freund in dieser Wohnung. Ich bin enttäuscht, auch wenn ich keinen Grund habe und vor allem kein Recht dazu. Ich bin eine Idiotin. Was hatte ich erwartet? Tausend E-Mails in meinem Postfach, die mir sagen, dass er mich vermisst und alles doof ohne mich ist? Dass ich seine Seelenverwandte bin? Dass er mich nicht verlieren möchte? Wie schön wäre das denn gewesen? Wie sehr Hollywood mit Ryan Gosling? Nein, ich habe die Grenzen klar gesteckt, ich habe gesagt, was nicht mehr sein kann, und jetzt muss ich mich nicht wundern, dass er sich an meine Regeln hält.
Hätte er Helen betrogen? Wenn ich mich anders entschieden hätte?
Ich nehme die Speicherkarten aus meiner Kamera und Olivers Digicam, lade alle Fotos auf meine Festplatte und kümmere mich wieder um mein Leben. Den Ist-Zustand, nicht um das, was hätte sein können. Ich stopfe die Schmutzwäsche in die Maschine, lüfte das Schlafzimmer und schicke Beccie eine SMS, in der ich sie frage, was sie denn heute noch so vorhabe. Dann setzte ich mich mit meinem Laptop auf den Balkon und klicke mich durch unsere Urlaubsfotos, während eine kühle Cola neben mir steht. Wenn Oliver es fertigbringt, sofort wieder in den Alltag einzutauchen, dann schaffe ich das auch. Ich muss mich wieder um mich selber kümmern. Es ist niemand da, der mir Sternschnuppen in den Himmel schießt oder Wünsche von jetzt auf nachher in Erfüllung gehen lässt, von denen ich noch gar nicht wusste, dass ich sie habe.
Die Fotos vom Konzert in Bregenz sind trotz Digicam überraschend gut geworden. Ich schicke eine kleine Auswahl zusammen mit einem schönen Grüß an Thomas, bevor ich mich wieder den Bildern widme, auf denen Oliver zu sehen ist. Er sieht auf den Fotos wirklich gut aus, mit Sonnenbrille, wie ein Dressman. Das gefällt mir. Er sollte
Weitere Kostenlose Bücher