Lisa geht zum Teufel (German Edition)
den zweiten Stuhl neben sie und kraulte ihr Nackenfell, woraufhin sie sofort begann, sich zu räkeln und zu schnurren. Er vermisste das Streunerleben jedenfalls nicht und hatte sich vorgenommen, sich einen Job bei der Olivenernte zu suchen. Eine einfache Unterkunft auf dem jeweils dazugehörigen Hof, mithin ein Zimmer für Saisonarbeiter würde er sicher finden. Zurück nach Marbella? Vorerst nicht. Zu intensiv und schmerzlich war die Erinnerung an die Tage mit Lisa und seine Dummheit, die er begangen hatte. Er musste sein Leben ändern, es auf soliden Boden stellen. Carmens Geburtstag war dazu ein guter Anlass. Die Bahntickets nach Jaen mitten ins Olivenanbaugebiet lagen bereits auf dem Tisch. Fünf Meter roter Stoff ebenfalls. Wie er die Stoffbahnen morgen früh um den Wagen wickeln und zu einer Schleife binden sollte, ohne sofort Aufsehen zu erregen, war ihm allerdings ein Rätsel. Immerhin hatte die Überführung des Wagens geklappt, obwohl es dem Händler unmöglich gewesen war, einen genauen Zeitpunkt einzuhalten. Die Option, den pinkfarbenen Mini direkt vor Carmens Haus abstellen zu lassen, hatte sich somit erledigt. Rafael war nichts anderes übriggeblieben, als ihn selbst nach Madrid zu fahren – ohne Führerschein. Doch er hatte Glück, nicht in eine Polizeikontrolle zu geraten. Nun stand der Wagen in zweiter Reihe direkt in einer Seitenstraße vor seiner Madrider Pension, die er sich von den paar Euro Transfergeld, um die er den Händler noch hatte herunterhandeln können, gerade so leisten konnte. Obwohl diese Gegend sicher war, ertappte Rafael sich dabei, zum wiederholten Male durch das Fenster auf die Straße zu sehen. Autodiebstähle waren in Madrid an der Tagesordnung. Noch nicht einmal eine Schramme durfte der Wagen abbekommen. Trotzdem erschien ihm die Vorstellung, die ganze Zeit hier herumzusitzen und Wache zu schieben, absurd. Vielleicht sollte er spazieren gehen und sich von Madrid verabschieden, Frieden schließen mit seinem alten Leben, bevor er am nächsten Tag ein neues begann.
Lisa war überrascht, wie gut sie mit Romeo, einem Kartäuser-Wallach, den Felipe für sie ausgesucht hatte, zurechtkam. Manche Dinge verlernte man nicht. Dafür war sie gerade in den ersten glücklichen Jahren ihrer Ehe viel zu oft ausgeritten. Andere Dinge schien man dagegen durchaus zu verlernen. Jedenfalls traf das auf Felipe zu. Auch heute leistete er sich keine einzige Provokation, gab keine dumme Bemerkung von sich, ja nicht mal der leiseste Hauch von Ironie war zu spüren. Er war wie ausgewechselt und zudem damit beschäftigt gewesen, dem kleinen Luke Olivenbäume zu zeigen, die schon sein Großvater hier gepflanzt hatte, oder einem Kaninchen hinterherzujagen, das sich in der Hitze des Nachmittags aus seinem Bau gewagt hatte. Nach dem langen Ausritt brauchten die Pferde eine Pause. Felipe wusste, wo sich ein kleiner See befand, und schlug eine kurze Rast vor. Selbst für Proviant hatte er gesorgt. War das nicht früher ihre Aufgabe gewesen? Auf einer kleinen natürlichen Steinterrasse neben ihm zu sitzen und bei einem Stück Weißbrot und einem Schluck Wein Luke dabei zuzusehen, wie er die Pferde tränkte, fühlte sich an wie Urlaub. Dass sich ausgerechnet an Felipes Seite zum ersten Mal, seitdem sie in diesem Jahr in Spanien war, Urlaubsstimmung einstellte, war an Ironie kaum mehr zu überbieten. Und dass sie Felipe jetzt auch noch ein Kompliment machte, sprengte gar den Rahmen des Vorstellbaren.
»Luke hat einen Narren an dir gefressen. Gib’s zu. Das hast du gar nicht verdient«, sagte Lisa.
Felipe lachte und setzte nicht mal ansatzweise zu einer seiner sonst üblichen Sticheleien an. Überhaupt machte er einen äußerst entspannten Eindruck. Seine Gesichtszüge wirkten weicher als sonst. Er strahlte innere Ruhe aus.
»Ich war völlig platt, als ich erfahren habe, was du für den Kleinen tust.«
Felipe sah sie überrascht an. »Hat Yolanda etwa doch geplaudert?«, fragte er, ohne dabei missgestimmt zu sein.
»Um ganz ehrlich zu sein, ja. Ich wäre sonst nicht nach Jerez gekommen. Und ich wundere mich schon all die Jahre, warum sie sich dir gegenüber immer sehr neutral verhalten hat.«
»Ich hab ihr gesagt, dass sie niemandem davon erzählen soll«, sagte er eine Spur enttäuscht.
»Warum? Das ist doch ein schöner Charakterzug. Es gibt doch überhaupt keinen Grund, das zu verheimlichen.«
»Wenn jemand das mitbekommt … Was glaubst du, wie viele Leute dann vor meiner Tür stehen?«, fragte
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