Lockende Flammen
Nacht.
Nachdem Leonora ihren Slip abgestreift hatte, stellte sie sich unter die Dusche. Das warme, weiche Wasser fühlte sich wundervoll an auf ihrer Haut, und das Duschgel duftete überirdisch.
Sie war so müde, dass sie ins Bett fallen und bestimmt gleich einschlafen würde. Vor Alessandro brauchte sie sich zum Glück nicht in Acht zu nehmen, das war ihr vorhin, als er sie geküsst hatte, endgültig klar geworden. Er hatte mit Sicherheit nicht vor, die Situation auszunutzen, weil dieser Kuss eindeutig nur Theater gewesen war.
Leonora hatte eben das Wasser abgestellt und wollte aus der Dusche steigen, da fiel ihr Blick auf sie.
Sie war die größte Spinne, die Leonora je gesehen hatte, und sie hockte direkt vor dem Duschbecken. Wenn Leonora aus der Dusche kommen wollte, musste sie über das Monstrum steigen. Sie erschauerte heftig. Seit sie denken konnte, hatte sie panische Angst vor Spinnen. Ihre Brüder hatten sich schadenfroh die Hände gerieben, als sie entdeckt hatten, wie sie ihre Schwester am wirkungsvollsten in Angst und Schrecken versetzen konnten, und hatten diese Waffe weidlich ausgenutzt. Bis zu jenem Tag, an dem Leo versucht hatte, ihr eine Spinne hinten ins T-Shirt zu werfen. Da war Leonora vor Schreck ohn mächtig geworden. Von da an hatten ihre Brüder auf derart gemeine Späße gnädigerweise verzichtet.
Was hatte die Spinne vor? Wollte sie ins Duschbecken klettern?
Leonora erschauerte heftig. Sie begann zu zittern, und ihr Kopf wurde ganz leer. Hoffentlich wurde sie jetzt nicht auch noch ohnmächtig. Sie wagte es nicht, die Spinne aus den Augen zu lassen und starrte sie unausgesetzt an. Das Insekt erwiderte ihren Blick, davon war Leonora überzeugt. Ihr Magen rebellierte. Sie war nur noch ein zitterndes Bündel Angst. Und es half ihr auch nicht, sich zu sagen, dass diese Angst irrational war. Es gab nichts, das ihr half, noch nie hatte irgendetwas gegen ihre Angst vor Spinnen geholfen.
Die Spinne bewegte ein Bein … und dann ein zweites. In Leonoras Kehle stieg ein Schrei auf, aber sie war so starr vor Angst, dass sie keinen Ton herausbrachte. Ihr ganzer Körper war steif, ihr Herz klopfte so hart und schnell, dass ihr ganz schwindlig war. Aber sie durfte auf keinen Fall ohnmächtig werden, weil sie sonst in sich zusammensackte und die Spinne womöglich über sie hinwegkrabbelte. Ein heftiger Schüttelfrost erlöste sie aus ihrer Erstarrung.
Alessandro öffnete die Schlafzimmertür und zog sein Dinnerjackett aus, während er die Tür hinter sich schloss. Überall brannte Licht, aber von Leonora war weit und breit keine Spur. Er hatte sie bereits im Bett vermutet. Er nahm seine Fliege ab und machte die obersten Knöpfe seines Smokinghemds auf. Er verabscheute förmliche Anlässe ebenso wie förmliche Kleidung. Auf dem Weg ins Ankleidezimmer nahm er seine Manschettenknöpfe heraus. Die Tür stand offen, und der Raum war leer. Jetzt war die letzte Möglichkeit das Bad.
Alessandro ging zu der Tür, die angelehnt war und klopfte, bevor er rief: „Leonora?“
Alessandro. Leonora wurde fast schwindlig vor Erleichterung. Ihr Blick flog zur Tür und sofort zurück zu der Spinne. Die sich wieder bewegte. Es konnte nicht mehr lange dauern, bis sie an der Duschwanne war und … jetzt … gleich …
Als Alessandro den Schrei hörte, stieß er die Badezimmertür weit auf. Leonora kauerte völlig verängstigt in einer Ecke der Dusche, splitternackt und kreidebleich im Gesicht, und bemühte sich, mit den Händen ihre Blöße zu bedecken. Ihre Augen waren weit aufgerissen vor Angst.
„Was ist?“, fragte Alessandro perplex.
Leonora nahm die Hand von ihren Brüsten, die genauso rund und voll waren, wie er es sich vorgestellt hatte, mit dunklen Knospen, die sich keck gen Himmel reckten. Zwischen den gespreizten Fingern ihrer anderen Hand lugten dunkle Härchen hervor, die ihren Venushügel bedeckten. Ihre Schamhaftigkeit wirkte viel aufregender, als wenn sie einfach so nackt vor ihm stände. Ihr Körper hatte mehr Kurven als erwartet, eine Information, die sein eigener Körper unübersehbar begrüßte.
„Da … da ist eine Spinne.“ Ihre Stimme klang dünn vor Angst, während sie ihn zitternd anschaute. Dann blickte sie wieder zu Boden und rang verzweifelt nach Atem, wobei sie sich noch mehr in die Ecke drückte. „Sie bewegt sich … o Gott … bitte … nein …“
Alessandro hatte sich noch nie als potenziellen Helden gesehen – dafür war er zu zynisch – aber ihre blinde Panik führte
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