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Lockruf der Finsternis

Lockruf der Finsternis

Titel: Lockruf der Finsternis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sherrilyn Kenyon
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auszulöschen, die er durch sie erlitten hatte. Er spürte noch immer den brennenden Schmerz des Peitschenriemens auf seiner nackten Haut.
    Noch jetzt hörte er den schrillen Schrei seiner Schwester an jenem Nachmittag, als sein Menschenvater ihn wegen seiner Abwesenheit zur Rede gestellt hatte. »Vater, hör auf! Er ist unschuldig. Er war bei Artemis. Sag’s ihm, Acheron! Bei allen Göttern, sag ihm die Wahrheit, damit er aufhört, dich zu prügeln!«
    Sein Vater hatte ihn zu Boden geschlagen. Dann hatte er ihn mit Fußtritten auf den Rücken gedreht und seinen Fuß auf Ashs Hals gestellt. Er hatte ihn fast erstickt. »Was für Lügen hast du ihr erzählt, du Wurm?«
    Ash hatte versucht, den Fuß zur Seite zu drücken, aber sein Vater hatte nur noch härter auf seine Luftröhre gedrückt. Das Sprechen war ihm fast unmöglich geworden. »Nichts – bitte …«
    »Gotteslästerer.« Damit war sein Vater einen Schritt zurückgetreten und hatte ihn fast ersticken lassen, während er verzweifelt versuchte zu atmen. »Bindet ihn und bringt ihn zum Tempel der Artemis. Die Göttin soll seiner Bestrafung beiwohnen, und wenn er wirklich mit ihr zusammen war, dann wird sie ihm sicherlich zu Hilfe kommen.« Er hatte Ryssa einen selbstgefälligen Blick zugeworfen. »Schlagt ihn am Altar, bis Artemis selbst auftaucht.«
    Die Demütigung dieses Tages brannte noch heute im Innersten seiner Seele. Die Leute, die den Scharfrichter angefeuert hatten, noch härter zuzuschlagen. Die Priester, die ihn geohrfeigt hatten, während der Scharfrichter ihn schlug.
    Das Wasser, das man ihm ins Gesicht gespritzt hatte, um ihn wieder zurückzuholen, als er vor Schmerzen ohnmächtig geworden war.
    Jede Einzelheit war ihm noch ganz frisch im Gedächtnis.
    Und Artemis hatte sich gezeigt. Aber keiner außer Ash hatte sie dort gesehen. Sie hatte seiner Bestrafung genüsslich zugeschaut. » Ich habe dir ja gesagt, was passieren würde, wenn du mich verrätst.« Dann war sie zu dem bulligen Henkersknecht hingegangen, der Ash auspeitschte, und hatte ihm zugeflüstert, dass er noch härter zuschlagen solle.
    Zu diesem Zeitpunkt war Ash erst zwanzig Jahre alt gewesen.
    Als es endlich vorüber war – und das auch nur, weil dem Scharfrichter der Arm erlahmt war –, hatte man Ash drei Tage lang gefesselt in ihrem Tempel aufgehängt, ohne Nahrung und Wasser, ohne jegliche Bequemlichkeit. Nackt und blutend, verwundet, ganz allein. Und während er dort gehangen hatte, waren Menschen gekommen, die ihn angespuckt und verflucht hatten. Sie hatten ihn an den Haaren gerissen und ihn geschlagen.
    Ihm gesagt, dass er nichtswürdig war und dass er das, was er bekommen hatte, voll und ganz verdiente.
    Als die Priester ihn schließlich abgeschnitten hatten, wurde ihm das Haar abrasiert und das Zeichen der Artemis, das Symbol des Bogens, auf den Hinterkopf eingebrannt.
    Dann war er in Ketten hinter einem Pferd in den Palast zurückgeschleppt worden. Der Boden hatte seine Wunden wieder geöffnet und ihm neue zugefügt. Als er in seinem Zimmer war, hatte er vor Schmerzen nicht sprechen können. Tagelang hatte er auf dem kalten Steinboden gelegen und geweint, weil die Frau, die er so sehr liebte, ihn verraten hatte, obwohl er nichts falsch gemacht hatte. Er hatte ihren Namen die ganze Zeit über bewahrt.
    Und sie dachte, eine einfache Entschuldigung würde all das verschwinden lassen …
    Das Miststück war wirklich verrückt.
    Bis heute hatte Artemis niemandem von ihrer Beziehung erzählt. Jeder, der nur ein bisschen Verstand hatte, hatte es ohnehin inzwischen erraten. Es waren ja auch nur – wie viele? – elftausend Jahre, die sie ihn heimlich in ihren Tempel einließ. Elftausend Jahre, in denen sie ihn missbraucht hatte.
    Alle wussten Bescheid, aber niemand sagte etwas. Es war ein idiotisches Spiel, das sie alle spielten – und weswegen? Einzig und allein wegen Artemis’ Eitelkeit.
    »Nimm mich in den Arm, Acheron«, sagte sie mit zitternder Stimme. »So wie du es früher getan hast.«
    Er musste sich zurückhalten, um sie nicht wegzuschubsen. Aber das wäre grausam gewesen, und auch wenn er es sich anders gewünscht hätte, so war er doch nicht so grausam wie sie.
    Stattdessen zog er sie an sich, obwohl er sich innerlich wand.
    Sie seufzte träumerisch, schlang die Arme um seine Hüfte und schmiegte sich an ihn.
    Ihre Zärtlichkeiten hasste Ash am allermeisten. Sie erinnerten ihn zu stark an den Traum, den er einst gehabt hatte. Ein Traum, in dem sie in der

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