Lockruf der Highlands: Roman (German Edition)
damit er wieder fahrtauglich war. Er hatte gerade ihre Ausrüstung hinten festgezurrt, als Tigger mit dem GPS im Maul dahertrottete. Luke griff in seine Tasche. Das Gerät musste ihm herausgefallen sein, als die Lawine ihn erwischt hatte.
»Braves Mädchen, Tig!«, sagte er und zerzauste ihr das Fell auf dem Kopf. »Ich nehme alles zurück, was ich von dir Negatives gedacht habe. Du und dein Kumpel Max, ihr seid doch viel schlauer als die meisten Menschen, die ich kenne.« Er drückte ihr einen Kuss auf den Kopf. »Und ich werde dir einen ganzen Schrank voll Hundemäntelchen kaufen.«
Max, der nicht zurückstehen wollte, kam mit dem zweiten Schneeschuh daher. Luke ließ sich auf die Hacken nieder. Die Hunde hatten tatsächlich alles gefunden, was er brauchte! Er schüttelte ungläubig den Kopf. Wie konnten sie wissen, wie verzweifelt seine Lage war?
»Okay, ihr Helden. Eure Suppe habt ihr euch verdient
– und zwei Tapferkeitsmedaillen obendrein. Und ich werde höchstpersönlich dafür sorgen, dass ihr sie auch bekommt.«
Ganz plötzlich hetzten die beiden wieder davon, auf der Suche nach weiteren Schätzen. Luke drehte sich um und wollte Camry zeigen, was die beiden gefunden hatten, aber sie war schon eingeschlafen. Als er den Schlafsack am Rand anhob, zuckte er zurück, als er ihren geschwollenen Knöchel sah.
»Camry, mein Liebling«, sagte er leise und rüttelte sie sanft an der Schulter. »Du musst wach sein, wenn ich dir das Bein schiene, sonst weiß ich nicht, ob ich auch alles richtig mache.«
Sie nickte, Schmerz und Verwirrung in den Augen durch die Tablette gedämpft.
Luke rutschte wieder zu ihrem Bein hinunter, doch als er den Schlafsack anhob, kamen die Hunde in großen Sätzen angefegt. Jeder trug etwas im Maul. Anstatt jedoch ihm ihre neuen Funde zu bringen, gaben sie sie Camry.
Max ließ den großen Spitzhut auf ihre Brust fallen, Tigger die zerknüllte Karte. Dann machten es sich beide Hunde bequem. Max bettete sein Kinn auf ihren Bauch, und Tigger rollte sich neben ihrer Schulter zusammen.
Luke seufzte. Würde er Roger AuClair denn nie loswerden? »Ich habe eine Idee«, sagte er und klappte
den Schlafsack zurück, um ihren Knöchel zu entblößen. »Du könntest mir Rogers Brief bis zum Ende vorlesen, während ich mit dir Doktor spiele.« Er lächelte. »Setz dir diesen Hut auf und tu einfach so, als wärest du er.«
Tränen stiegen ihr in die Augen, ihr Kinn zitterte. »Luke, versuch nicht, mich bei Laune zu halten.«
»Nein, das tue ich doch gar nicht. Ich will dich nur ablenken. Und mich auch. Hier«, sagte er, strich die Karte glatt und reichte sie ihr. »Los, wir wollen mal hören, welche weisen Ratschläge der gute alte Roger noch für mich auf Lager hat.« Er zog eine Braue hoch. »Vielleicht verrät er ja am Ende seiner Botschaft, wo er das Pistengerät versteckt hat.«
Vermutlich eher aus eigener Neugierde, als um Luke bei Laune zu halten, fing Camry zögernd an, von der Stelle an vorzulesen, wo sie am Morgen zuvor aufgehört hatte. Mit Hilfe der Schnürsenkel ihres zweiten Stiefels und einer Ersatzhose aus ihrer Ausrüstung machte Luke sich daran, vorsichtig ihren Knöchel zu fixieren.
Er hielt inne, als sie scharf einatmete und verstummte. »Verzeih, ich versuche ja, ganz vorsichtig zu sein. Los, lies weiter.«
»Aber Roger erwähnt hier die Möglichkeit, dass ich niemals wieder richtig gehen kann«, flüsterte sie, und ihr Kinn zitterte wieder. »Luke, du musst tun,
was er sagt, und mich schnurstracks zu Tante Libby bringen. Sie ist eine erfahrene Unfallchirurgin und verfügt über die Gabe, Menschen durch Handauflegen zu heilen.«
»Du wirst im Sommer nicht nur richtig gehen können, sondern sogar einen Marathon laufen«, sagte er und drückte ihr den Arm. »Mach weiter. Du bist jetzt an der Stelle, wo ich zu lesen aufgehört habe.«
Ihr Blick suchte den seinen, suchte … nach einem Zeichen, dass er ihr glaubte, wie Luke vermutete. Er widmete sich wieder ihrem Fuß und wickelte mehrere Lagen von dem festen Hosenstoff um ihr Bein, vom Knie bis hinunter zur Ferse. Sodann band er den Stoff fest, wobei er darauf achtete, das Material im Bereich der Schwellung nicht zu straff zu ziehen.
Er hörte, wie sie bebend einatmete, dann las sie weiter.
Ich hatte Sie ja gewarnt, dass Ihnen das unmöglich erscheinen wird, Renoir. Aber ein Wunder zu vollbringen ist eigentlich der einfachere Teil, während die Erkenntnis, dass man sein Schicksal wirklich selbst in der Hand hat,
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