Löwenherz. Im Auftrag des Königs
versetzte ihm einen Stoß in die Rippen. Robert verstummte. Die Soldaten des Sheriffs hatten ihre Bögen bereits auf den Boden gelegt und fügten nun Dolche, Haumesser und was sonst noch an tödlichem Werkzeug in ihren Gürteln steckte, hinzu. Edith und Robert blieben stumm vor Staunen.
»Sehr schön«, sagte Bruder Brion. »Und nun wollen wir mit gutem Beispiel vorangehen, nicht wahr, Sire Guy? Bemüht Euch nicht, ich mach das schon.«
Fassungslos wurden Edith und Robert Zeugen, wie Brion dem Normannen mit einer Hand um den Leib fasste und dessen Schwertgurt mit einer geübten Bewegung öffnete. Der weiße Ledergürtel, an dem sein Schwert hing, fiel zu Boden. Brion schob Gürtel und Schwert mit dem Fuß zu den anderen Waffen. Erst jetzt fiel Edith auf, dass der Normanne die Hände immer noch hinter dem Rücken hatte – und als Bruder Brion etwas beiseitetrat, entfuhr ihr ein Laut des Staunens: Sire Guys Hände waren gefesselt! In Brions Linker blitzte ein Dolch mit einer langen, dünnen Klinge, und auf dem Rücken von Sire Guys Tunika befand sich ein kleiner frischer Blutfleck, direkt dort, wo der Stoff ausgefranst und durchlöchert war.
»Steht nicht herum!«, befahl Bruder Brion in einem Ton, der all seine vorherige Leutseligkeit vergessen machte. »Fesselt die Herren mit den Lederriemen an die Bäume. Schnell! Euch, Sire Guy, binde ich persönlich an. Am Ende versucht Ihr mir noch einen Trick.«
»Bastard!«, zischte Sire Guy. »Wenn ich dir das nächste Mal begegne, ziehe ich dir die Haut bei lebendigem Leib ab.«
»Ihr habt Recht, ein Mann wie Ihr muss seinen Ruf wahren. Hoppla, hab ich jetzt aus Versehen Eure Börse abgeschnitten? Es klimpert ja ganz schön da drin.«
»Du bist nichts als ein räudiger Strauchdieb.«
»Ts, ts«, machte Bruder Brion. »Wenn die Kirche«, er deutete auf seine verwilderte Tonsur, »von einem Gläubigen etwas nimmt, gilt das als Almosen.«
Im Nu waren Sire Guy und seine Männer an Bäume gefesselt. Edith wusste noch immer nicht, was hier gespielt wurde. Bruder Brion wanderte indes von einem Gefangenen zum anderen und machte sich mit seinem Dolch an dessen Fesseln zu schaffen.
»Ihr schneidet die Riemen ja an!«, rief Robert. »Wieso habt Ihr sie denn dann überhaupt angebunden?«
»Wir wollen die Herrschaften doch nicht ewig hier stehen lassen, oder? Nur so lange, bis Ihr und Eure Schwester weit genug weg seid. Was, glaubt Ihr, passiert, wenn die Gesetzlosen zurückkommen und die Burschen finden? Immerhin haben Sire Guy und seine Männer viele der Dörfer verheert und geplündert, aus denen die Gesetzlosen stammen.«
Die Soldaten schienen erst jetzt zu verstehen, welches Schicksal ihnen drohte. »Bindet uns sofort los!«, schrie einer von ihnen.
»Immer mit der Ruhe. Bis John Miller und seine Truppe ihr Versteck erreicht, sich gesammelt und neu bewaffnet haben und dann hierher zurückgekehrt sind, habt ihr euch längst selbst befreit. Strengt euch an! Ein bisschen Schweiß in Gottes Angesicht schadet nichts.«
»Ihr seid ein toter Mann, Mönch!«, flüsterte Sire Guy.
»Mitten im Leben sind wir vom Tod umfangen«, dozierte Bruder Brion. »Lord Robert, Lady Edith, helft mir, die Waffen ins Wasser zu werfen. Sucht Euch vorher etwas aus als Ersatz für die Ausrüstung, die Euch abgenommen wurde. Wie wär’s mit Sire Guys Schwert? Das ist sicher gut gepflegt.«
»Wagt es ja nicht …«, brüllte der Normanne.
»Ich will sein Schwert nicht«, sagte Robert leise. »Ich möchte meines wieder zurück. Mein Vater hat es mir geschenkt.«
»Ihr habt Recht …« Bruder Brion zog Sire Guys Schwert aus der Scheide und ließ die Klinge durch die Luft pfeifen, dass sie in der Morgensonne aufblitzte. »Solange Ihr noch nicht zum Ritter geschlagen seid, dürft ihr kein Langschwert tragen. Und das Ding hier ist viel zu auffällig. Ich werde es verwahren.« Grinsend legte er sich den Schwertgurt um und band ihn vorne zu einer Schleife.
Edith und Robert gafften ihn an. Trotz Kutte und Tonsur wirkte Brion mit dem Schwert weniger wie ein Klosterbruder als vielmehr wie ein …
»Ihr seid ein Ritter«, sagte Edith.
Brion verdrehte die Augen. »Ein Schwert macht noch keinen Krieger«, gab er zu bedenken. »Es lässt dich nur wie einer aussehen.«
Edith war sicher, dass er gelogen hatte, aber sie glaubte seinen kurzen warnenden Seitenblick in Richtung Sire Guy richtig gedeutet zu haben und schwieg.
Gemeinsam warfen sie die Waffen in den Fluss und behielten einen Bogen mit
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