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Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Löwenherz. Im Auftrag des Königs

Titel: Löwenherz. Im Auftrag des Königs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Dübell
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fallen würde und nur wenige Kapitäne bereit waren, sich außerhalb der Sommersaison aufs Meer zu wagen, hatten sie beim Aufbruch noch keine Ahnung gehabt, wen Sie im Hafen ansprechen mussten. Sie waren dennoch nicht auf sich gestellt in Marseille – ein alter Freund würde dort bereits eingetroffen sein und sie in Empfang nehmen: Brion O’Heney, der Tempelritter. Er war sicher von Irland aus aufgebrochen, weil er schon wieder bei seinem Bruder, dem Bischof von Cashel, angekommen war, als Edith ihn dem König als ihren Begleiter vorgeschlagen hatte. Von Irland aus hatte er einen guten Vorsprung.
    Johnny hatte nur eine Sorge: Er hatte gehört, dass es für Fahrten über das Meer eigentlich schon zu spät im Jahr war. »Stürme!«, sagte er immer und immer wieder. »Haushohe Wellen! Strudel, die ganze Dörfer verschlingen können! Und wir sollen da mittenrein segeln?« Er wies auf die niedrig hängenden grauen Wolken über dem Land. Nieselregen verwandelte das herbstliche Gold in schlammig verwaschenes Braun. »Da! Es fängt schon an!«
    »Wir sind mitten in Frankreich, ewig weit vom Meer entfernt«, sagte Edith. »Das Wetter kann an der Küste völlig anders sein.«
    »Du wirst schon sehen: Stürme! Strudel! Am ersten Tag, den wir auf See sind. Ich weiß es!«
    »Und haushohe Wellen«, sagte Robert bissig. »Haushoch.«
    »Ihr habt leicht reden«, brummte Johnny. »Ich wär beinahe gestorben auf der Überfahrt hierher und da schien noch die Sonne!«
    Die Händler, unter deren Obhut sie reisten, hielten höflichen Abstand zu ihren Gästen, seit sie gemerkt hatten, dass mit diesen keinerlei Geschäfte zu machen oder Neuigkeiten über ferne Länder auszutauschen waren. Ediths Gemüt verdüsterte sich, als sie die Verwüstungen erblickte, die der Machtkampf des heutigen Königs und seiner Brüder gegen den alten König Henri in diesem Land hinterlassen hatte. Immer wieder stießen sie auf verlassene Gehöfte, geschleifte Burgen oder halb zerstörte Dörfer. Es tat Edith weh, daran zu denken, welch großen Hass die nun Obdachlosen und Verarmten gegen Richard hegen mochten. Sie hatte immer nur den guten Herrscher in ihm gesehen. Es fiel ihr schwer, ihn gleichzeitig auch als König wahrzunehmen, der Krieg führte und für das Unglück von Menschen verantwortlich war.
    Als sie den Norden Frankreichs hinter sich gelassen hatten, verloren sich die Spuren vergangener Gefechte, die Gesichter der Menschen wurden fröhlicher, die Landschaft anmutiger. Nur der Regen hielt an.

2
    D ie Nachricht des Königs hatte Brion O’Heney in Irland erreicht, als er gerade bei seinem Bruder, dem Bischof, zu Besuch gewesen war. Natürlich ließ sich der Templer nicht zweimal bitten, Edith und Robert ins Heilige Land zu begleiten. Jetzt war er auf dem Weg nach Marseille, wo er die beiden treffen sollte. Wie schon bei früheren Aufträgen reiste er als Mönch verkleidet. Sicher, einem Tempelritter hätte man Respekt erwiesen, doch einem geistlichen Bruder vertrauten sich die Leute eher an. So kam Brion leichter mit anderen Reisenden ins Gespräch und konnte sich auch besser einer Gruppe anschließen, wenn er das einsame Wandern satthatte. Das Wichtigste aber war: Ein Mönch erregte kein Aufsehen. Und genau das, so hatte ihm Richard in seinem Schreiben eingeschärft, solle Brions oberstes Gebot sein.
    Von Waterford aus hatte er sich nach Abertawe in Wales eingeschifft, war über Land nach Melcombe weitergezogen und hatte sich dort auf die Suche nach einer Schiffspassage hinüber zum Kontinent gemacht. Er hatte eine Woche Vorsprung vor Edith, Robert und Johnny und war deshalb aufgeräumter Stimmung, als er am Hafen entlangschlenderte und nach einem geeigneten Schiff Ausschau hielt. Zugleich suchte er nach dem angekündigten Ordensbruder, der ihm berichten sollte, wie die Lage im Heiligen Land und ganz speziell im Gebiet um Burg Kerak herum war. Er hatte noch von der Bischofsresidenz in Cashel aus eine Brieftaubenbotschaft auf den langen Weg zum Haupthaus des Ordens in Jerusalem geschickt und darum gebeten, dass ein aus dem Heiligen Land nach England reisender Tempelritter diesbezüglich Erkundigungen einziehen möge.
    »Ein Almosen, heiliger Bruder«, sagte plötzlich eine Stimme neben ihm.
    Brion sah auf. »Das ist eigentlich mein Text«, erklärte er.
    Der Mann, der ihn angesprochen hatte, entblößte kurz das Templerkreuz auf seinem Unterarm. Er war unauffällig gekleidet. Brion krempelte ebenfalls den Ärmel auf.
    »Du hättest sagen

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