Loge der Lust
Care-Paket von deinen Eltern aus Great London. Wie niedlich! Mami und Papi müssen die Kleine dolle vermissen.“ Lachend ging er in sein Büro.
Mit zusammengekniffenen Augen schaute Teena ihm hinterher. Am liebsten hätte sie ihm das Päckchen um die Ohren geschlagen. Zumindest hatte er sie geduzt, aber das stimmte sie auch nicht milde. Vor Wut hatte sie gar nicht gemerkt, dass der Kurier gegangen war. Er hatte die Sendung einfach auf die Theke gelegt und war verschwunden.
„Das glaube ich nicht.“ Monica nahm ihr den Stift aus der Hand.
Teena griff das Paket. „Was glaubst du nicht?“
„Dass die Sendung von deinen Eltern ist“, entgegnete Monica und steckte den Kuli hinters Ohr. „Es ist nicht aus London. Das hat mein geschulter Blick sofort erkannt.“
„Wer sollte mir sonst …? Es steht kein Absender darauf.“
„Aber der Karton wurde in der Postfiliale in Gardenrye gekauft.“
Verblüfft runzelte Teena die Stirn. „Woher weißt du das?“
„An der Seite ist ein Stempel.“ Monica zwinkerte.
Teena begutachtete das Päckchen. Tatsächlich! Die Frau hatte recht. Da fiel ihr etwas ein: „Der Kurier hat mir nicht einmal einen Durchschlag der Empfangsbestätigung gegeben. Darauf hätte der Absender …“
„Er war ja nicht einmal Kurier.“
„Ach, nein?“ Woher wollte die Sekretärin das nun wieder wissen?
„Hier in der Gegend gibt es nur zwei Kurierdienste, und die Auslieferer erkennt man sofort an der quietschgelben oder blauen Uniform und den unübersehbaren Logos. Dieser Milchbubi gehörte zu keinem von beiden.“
„Vielleicht war er ein Aushilfsfahrer“, warf Teena ein.
„Der seine Formulare auf dem Computer zusammenbastelt und selber ausdruckt?“
„Hat er das?“
„Das war deutlich zu sehen. Unprofessionelle Gestaltung, zu viele Tippfehler, kein Schriftzug des Kurierdiensts, kein Durchschlag …“
„Schon gut!“ Teena lächelte anerkennend. „Du bist während deiner langen Dienstjahre für die Polizei von Gardenrye wohl zur Kriminologin geworden.“
„Und wenn du eine gute Polizistin werden willst, musst du aufmerksamer sein.“
„Das nehme ich als ehrlichen Rat an.“ Teena meinte das ernst. Ihr hätten die Ungereimtheiten auffallen müssen. Stattdessen war sie gedanklich noch bei Woodridge, ihr Zorn auf Lewis hatte sie abgelenkt, und von Monica mit Argusaugen beobachtet zu werden, hatte sie nervös gemacht.
In Lewis‘ Büro konnte sie nicht gehen, daher steuerte sie Joshuas Zimmer an. Sie schob die Tür zu, ließ sie aber einen Spaltbreit offen, damit sie rechtzeitig bemerkte, wenn sich jemand näherte. Neugierig schüttelte sie das Päckchen. Nur ein leises Rascheln war zu hören. Es half alles nichts. Sie musste es öffnen, um zu sehen, was darin war. Eine Bombe würde es schon nicht sein. Mit einer Schere schnitt sie das Klebeband auf und klappte die Seiten nach oben. Zerknülltes Zeitungspapier. Mehr war auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Da es sich um die Newcastle Daily News handelte, dachte Teena sofort an Monica, weil sie am Vortag diese Tageszeitung gelesen hatte. Wollte die Sekretärin sie hereinlegen, einen persönlichen Rachefeldzug führen? Oder war das ein Test der neuen Kollegen, um herauszufinden, wie gut sie war? Vielleicht ein Ritus, den jeder neue Polizist über sich ergehen lassen musste?
Eifrig kramte sie in dem Papier. Es war nur Füllmaterial, denn bald hielt sie zwei Lackschuhe mit verteufelt hohen Absätzen in den Händen. Außer Strapsen und einer Packung halterloser Strümpfe fand sie einen zerknitterten Zettel, auf dem stand:
„ Ich habe die Turnschuhe gesehen .
Die gehen gar nicht!
Nimm dies als Willkommensgeschenk und –
ANZIEHEN! “
Das letzte Wort war wie eine Drohung. Statt einer Unterschrift hatte der Absender eine Rose unter den Brief gemalt.
„Rosalin!“, entfuhr es Teena.
Sie prüfte, ob jemand sie gehört hatte, aber im Gang war niemand zu sehen. Warum war Roz nicht selbst zum Revier gekommen, um das Geschenk abzugeben? Zu schüchtern war sie jedenfalls nicht. Teena ahnte, dass die rassige Schönheit gerne Spielchen spielte. War das ein Wunder? Gardenrye bot kaum etwas zur Unterhaltung und Zerstreuung. Da musste man schon kreativ sein.
Sollte Teena sich wirklich so sexy auf dem Revier anziehen? Das war definitiv zu viel! Sie schaute auf die Wanduhr, die über der Tür hing. Die Uhr war ein Relikt aus den siebziger Jahren, sie besaß ein orangefarbenes Zifferblatt mit großen weißen Zahlen, als hätte man
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