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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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hatte.
    »Ob ich gut mit ihnen auskomme?«, sagte Jim Morrison. »Sie können nicht denken, sie können nicht kämpfen, sie können nicht ficken. Sie sind okay.«
    Lola glaubte nicht, dass Rock-Out dieses Zitat drucken würde. Das Wort ficken war nicht erlaubt. Und ohne das Wort verlor der Satz seine Wucht.
    Sie fand, sie hatte genug Material. Außerdem hatte sie die Nase voll von Jim Morrison. Sie drehte sich zu Linda um, die immer noch fotografierte. »Ich höre jetzt auf«, sagte sie. »Können wir einen Kaffee trinken?« Sie empfand ein starkes Bedürfnis, sich mit jemandem zu unterhalten, der besser verständlich und freundlicher war als Jim Morrison.
    »Klar«, sagte Linda.
    »Vielen Dank für das Interview«, sagte Lola zu Jim Morrison. Jim Morrison wirkte ein wenig perplex. Als käme er gerade erst richtig in Fahrt.
    »Er ist nicht blöd«, sagte Linda zu Lola, als sie sich nach
einem Tisch umsahen. »Er ist nur konfus.« Lillian kam auch dazu. Sie hatte sich eben noch mit Steve Paul, dem Besitzer von The Scene, unterhalten.
    »Sollen wir noch etwas trinken, bevor wir nach Hause gehen?«, fragte Linda. »Eine Runde Soda, Mineralwasser oder Kaffee?« Sie lachte. »Ihr beide seid wahrscheinlich die Einzigen in diesem Raum, die weder Alkohol noch Drogen konsumieren.«
    »Ich verliere nicht gern die Kontrolle«, sagte Lola.
    »Wenn du nicht zulässt, dass du die Kontrolle verlierst, verpasst du einige Abenteuer, die das Leben dir zu bieten hat«, sagte Linda.
    Lola war müde. Jim Morrison hatte irgendetwas an sich, das sie ermüdete. Vielleicht sogar mehr als nur irgendetwas. Er wirkte unerreichbar. Und außer Kontrolle.
    »Vielleicht will ich gar keine Abenteuer erleben«, sagte Lola zu Linda.
    »Nichts gegen Abenteuer«, sagte Linda.
    Nicht ganz zwei Jahre später würde Lillian Lola anrufen und sagen: »Linda erzählt, sie heiratet Paul McCartney.«
    »Glaubst du ihr?«, fragte Lola.
    »Eigentlich schon«, sagte Lillian. »Sie hat mich noch nie angelogen.«
    Wer seine Beine so weit spreizen konnte, kriegte vermutlich jeden, den sie wollte, dachte Lola. Und schämte sich sofort für diesen Gedanken. Sie dachte, dass es wohl eher Lindas Selbstsicherheit, ihre Furchtlosigkeit und ihre direkte, vorbehaltlose Art waren, die Paul McCartney anzogen. »Ich glaube ihr«, sagte Lillian.
    »Ich glaube, ich auch«, sagte Lola.

 
    4  An ihrem dreißigsten Geburtstag erwachte Lola Bensky mit der schockierenden Erkenntnis, dass sie dreißig geworden war und ihre Mutter und ihr Vater beide noch lebten. Lola hatte den größten Teil ihres bisherigen Lebens in der Erwartung von Renias und Edeks unmittelbar bevorstehendem Dahinscheiden verbracht. Jahrelang war sie bei jedem spätnächtlichen Anruf aus dem Bett hochgefahren. Jahrelang hatte ihr Herz zu rasen begonnen, wenn sie nicht zu Hause waren, obwohl sie eigentlich zu Hause sein sollten.
    Der Gedanke, dass ihre Eltern nicht mehr sehr lange leben würden, stammte von ihren Eltern selbst. »Daddy und ich werden nicht sehr lange leben, nicht nach dem, was wir durchgemacht haben«, sagte Renia Bensky regelmäßig, seit Lola ein Kleinkind war. Jedes Mal, wenn sie das sagte, nickte Edek zustimmend mit dem Kopf. Lola fragte sich manchmal, ob ihre Eltern vielleicht eine Art Pakt geschlossen hatten, nicht lange zu leben. Eigentlich glaubte sie es nicht. Edek stimmte einfach immer allem zu, was Renia sagte. Er widersprach ihr nie. Er brachte nie eine andere Ansicht ins Spiel. Er rollte nicht einmal mit den Augen.
    »Du bringst mich noch um«, war eine weitere von Renias regelmäßig wiederkehrenden, an Lola gerichteten Äußerungen. Häufig gefolgt von: »Du wirst an meinem Grab weinen, aber dann wird es zu spät sein.« Schon mit sieben oder acht Jahren hatte Lola das beklemmende Gefühl gehabt, dass ihre Mutter recht hatte.
    Als Renia und Edek einmal einen Autounfall hatten, riefen
sie Lola aus dem Krankenhaus an. Von dem Moment an, als Lola den Hörer abnahm, bekam sie kaum noch Luft, obwohl ihre Mutter sagte, dass ihnen nichts passiert sei, nur ein paar Schrammen. Lola war sich sicher gewesen, dass nun der Moment gekommen war, von dem Renia gesprochen hatte, und dass beide, Renia und Edek, jeden Moment sterben würden.
    Und jetzt war sie dreißig, und ihre Eltern lebten noch. Sie beschloss, sich zu entspannen. Ihre Mutter und ihr Vater würden wahrscheinlich beide noch eine Weile da sein. Sie dachte, dass noch genug Zeit sei, die Dinge in Ordnung zu bringen. Und war sich nicht

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