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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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dankbar für die drei Kinder, dankbar dafür, dass er in New York lebte und dankbar, am Leben zu sein. Er war Maler. Er malte wunderschöne, bewegende abstrakte Bilder über Sterblichkeit und die Zerbrechlichkeit und Poesie des Menschseins. Abstrakte Bilder vom Leben mit all seinen Irrungen und Wirrungen. Mr. Someone Else arbeitete gut, aß gut, hatte eine regelmäßige Verdauung, und er schlief gut.
    Lola hatte Schlafstörungen. Wahrscheinlich, dachte sie, hatte sie schon als Kind Schlafstörungen gehabt. Sie hatte häufig Albträume. Ein wiederkehrender Albtraum hatte begonnen, als Lola ungefähr sieben war. In diesem Traum befand sie sich aufrecht stehend inmitten eines Universums, Hunderte von Metern über der Erdoberfläche. Sie ging und redete mitten in der Luft in dieser hochgelegenen Galaxie. Alles wirkte normal, doch Hunderte Meter über der Erde war nicht der Ort, wo Lola sein wollte. Sie versuchte, auf die Erde zurückzugelangen, doch sie konnte nichts tun, um sich vom Himmel wieder auf festen Boden zu transportieren. Meist wachte sie angsterstarrt auf. Sie begann, sich abends vor dem Zubettgehen zu fürchten. Dieser und andere wiederkehrende Albträume blieben Lola jahrelang treu. Ebenso die Angst vor dem Zubettgehen.
    Später fragte sich Lola, was sie dort oben in der Luft eigentlich gemacht hatte. War sie dort mit den Toten zusammen? Die Toten waren ihr vertraut. Sie hatte das Gefühl, sich an Menschen zu erinnern, die sie nie kennengelernt hatte. Cousins, deren Stimmen sie nie gehört hatte. Eine Tante
mit Lolas wild gelocktem Haar, mit ihrer Nase und ihren hohen Wangenknochen, denselben sprachlichen Eigenheiten und breiten Füßen. Traf sie dort oben einen Onkel, der sie in die Wange kniff und ihr sagte, sie sehe aus wie eine Kombination ihrer beiden Großmütter? Sich selbst sah sie bei ihren nächtlichen Ausflügen im Raum schweben, aber sie konnte nie richtig erkennen, wer da mit ihr schwebte.
    »Nachts wurde es ein wenig leichter«, erzählte Renia ihr immer wieder. Renia sprach vom Vernichtungslager, wo sie auf ihrer Pritsche gelegen hatte, wo Rippen, Handgelenke und Knöchel ihrer Nachbarin sich an sie pressten, während sie hellwach dalag und von der dicken Kartoffelsuppe ihrer Mutter träumte und von ihrem Honigkuchen. »Es war beinahe so, als wäre ich mit meiner Mutter zusammen, als äße ich wirklich«, sagte sie.
    Lola hatte vor kurzem mit einer Bekannten zu Abend gegessen, mit Rebecca Eisenhood, einer Anwältin, deren Mutter ebenfalls in Auschwitz gewesen war. »Meine Mutter ist der glücklichste Mensch, den ich kenne«, sagte Rebecca Eisenhood. »Meine Mutter ist immer gut gelaunt, immer nett, sieht immer das Positive. Sie wacht fröhlich auf und muntert jeden in ihrer Umgebung auf.« Lola hatte auf der Stelle gewusst, dass die Freundschaft mit Rebecca Eisenhood keine Zukunft hatte.
    »Sie ist der glücklichste Mensch, den Sie kennen?«, sagte Lola.
    »Ja. Sie ist immer glücklich«, sagte Rebecca.
    »Das ist aber eigenartig«, sagte Lola.
    »Wie bitte?«, sagte Rebecca. »Es ist inspirierend.«
    Lola dachte, dass der Zustand von Rebeccas Mutter eher bedrückend war als inspirierend. Niemand konnte ständig glücklich sein.
    »Ihre Mutter war in Auschwitz, nicht wahr?«, fragte Lola.
    »Aber ja«, sagte Rebecca Eisenhood in einem seltsam munteren Ton, als wäre eine Internierung in Auschwitz so etwas wie ein Aufenthalt in einem teuren Spa oder einem buddhistischen Kloster, aus dem man erholt und wie neu geboren zurückkehrte.
    »Spricht Ihre Mutter je darüber, was ihr in Auschwitz widerfahren ist?«, fragte Lola.
    »Natürlich nicht«, sagte Rebecca Eisenhood. »Warum sollte sie?«
    Lola fiel auf, dass Rebecca Eisenhood, die blasse Haut, blasses Haar und blasse Wimpern hatte, in ihrem Essen nur herumstocherte. Mit winzigen Gabelstichen pickte sie darin herum. Eigentlich pickte sie nicht einmal, sondern schob das Essen nur auf dem Teller hin und her, als wollte sie die liebevoll angerichtete Komposition aus Tilapia in einer Kruste aus Kichererbsen, gebratenen Fiddleheads und Quinoa-Couscous neu arrangieren.
    »Ich bin so satt«, sagte Rebecca Eisenhood am Ende des Essens. Lola schaute auf den neu arrangierten Teller. Der Tilapia war unberührt, nicht einer der Fiddleheads fehlte. Ungefähr ein Dutzend Quinoakörner schienen sich verirrt zu haben und lagen verstreut auf dem Tisch.
    O Gott, dachte Lola, bei jedem von uns stimmt irgendwas nicht. Fast alle Kinder von Überlebenden der

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