Lola Bensky
Krempe, ein rotbraunes Jackett und ein geblümtes Seidenhemd. Große pinkfarbene und grüne Blüten auf cremefarbenem Grund. Und um den Hals trug er fünf unterschiedlich lange Ketten. Die kürzeste, eine klobige Silberkette, lag ihm eng um den Hals, die längste fiel hinab zur Taille, bis kurz über die breite Silberkette, die er als Gürtel seiner Jeans trug. Auf dem Ringfinger und dem kleinem Finger der linken Hand trug er zwei dicke Silberringe.
Lola bewunderte, wie Jimi Hendrix sich kleidete und ausstaffierte. Auf den ersten Blick wirkte es, als trüge er ein leuchtend buntes Durcheinander. Ein Sammelsurium verschiedenster Kleidungs- und Schmuckstücke. Doch seine Gar
derobe war überraschend harmonisch zusammengestellt und wurde von seinem schlanken Körper und einer kaum merklichen, schwelenden Leidenschaft zusammengehalten.
Lola wollte Jimi Hendrix nicht stören. Er wirkte in seine Gitarrensaiten vertieft. Sie dachte, dass er sich wahrscheinlich nicht mehr an sie erinnerte. Sie sah an sich hinunter und stellte fest, dass sie eine Netzstrumpfhose trug. Nicht dasselbe Paar, das sie getragen hatte, als sie ihn in London getroffen hatte. Aber trotzdem eine Netzstrumpfhose. Bei diesem Paar war das Gewebe elastischer und schnitt nicht in die Überfülle ihres Fleisches. Sie musste die Innenseiten ihrer Schenkel nicht mit Papiertaschentüchern polstern und sich Sorgen machen, eine Spur von Papierschnipseln zu hinterlassen.
Jimi Hendrix sah auf und erblickte Lola. Er stutzte einen Moment, dann lächelte er. »Hi«, sagte er. »Wie geht es dir? Ich dachte, du wolltest vorbeikommen und gucken, wie ich mit Lockenwicklern aussehe.«
»Stimmt«, sagte Lola. »Und es hätte mich sehr interessiert, wie du die Haare aufwickelst, wenn nicht in geraden Reihen.«
»Ich weiß genau, wo ich die Lockenwickler anbringen muss«, sagte Jimi Hendrix.
»Das hast du schon letztes Mal gesagt«, sagte Lola.
»Deine Haare sind immer noch glatt, aber du hast sie schneiden lassen«, sagte Jimi Hendrix. Lola war verblüfft. Es fiel ihr schwer zu glauben, dass ihm aufgefallen war, dass ihr ehemals langes, glattgebügeltes Haar inzwischen kurz und glatt war. Sie hatte sich einen Bob à la Mary Quant schneiden lassen, bevor sie London verließ. Jetzt bereute sie es. Mit der kecken Frisur fühlte sie sich etwas fremd in der eigenen Haut. Eigentlich gehörte sie nicht zur kecken Sorte.
»Sieht aus wie eine umgekehrte Dauerwelle«, sagte Jimi Hendrix.
»Woran erkennst du das?«, fragte Lola.
»Ich habe mir die Haare auch schon mal so glätten lassen, diesen sehr glatten Look kenne ich«, sagte er.
Lola war nicht begeistert. Wenn Jimi Hendrix sah, dass sie ihre Haare wie eine umgekehrte Dauerwelle geglättet hatte, dann sahen das wahrscheinlich auch noch eine Menge anderer Leute. Und möglicherweise war das Monterey International Pop Festival mit seiner Botschaft von Liebe, Frieden und allem, was natürlich war, nicht der richtige Ort, um mit künstlich geglättetem Haar aufzutauchen.
»Ich hätte es nicht glätten lassen sollen«, sagte Lola.
»Es sieht gut aus«, sagte Jimi Hendrix.
Lola tröstete sich mit dem Gedanken, dass nur wenige Leute so gut über Haare Bescheid wussten wie Jimi Hendrix. Was tat sie da überhaupt? Warum unterhielt sie sich mit Jimi Hendrix über Dauerwellen und schlechte Frisuren?
»Du bist echt groovy, Mann« sagte Jimi Hendrix. Lola lachte. »Du findest nicht, dass du groovy bist, oder?«, sagte er.
»Eigentlich nicht«, sagte Lola. Sie wäre nie auf die Idee gekommen, sie könnte groovy sein. Mädchen, die groovy waren, hatten lange blonde Haare, schmale Hüften und nackte, wohlgeformte Beine. Sie bedeckten ihre pummeligen Oberschenkel und Waden nicht mit Spitze oder Netzstrumpfhosen. Außerdem konnten sie auf der Tanzfläche oder am Strand mit Hingabe und im richtigen Rhythmus tanzen und waren nicht jüdisch. Lola hätte sich einer göttlichen Verwandlung unterziehen müssen, um als groovy durchzugehen. Sie hätte ihre Geschichte umschreiben, ihre Gene austauschen und sich, um Gewicht zu verlieren, mit Malaria anstecken müssen.
»Du bist cool, Mann«, sagte Jimi Hendrix. »Ich meine es ernst.« Er sah sie an. »Du hast ein sehr hübsches Gesicht. Aber ich bewerte Mädchen nicht nach ihrem Aussehen«, sagte er. »Manche Leute gehen nach dem Aussehen. Ich nicht.«
Lola wurde verlegen. Wollte er ihr damit sagen, dass sie – was, wie sie wusste, der Wahrheit entsprach – zu dick war, um attraktiv zu
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