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Lola Bensky

Lola Bensky

Titel: Lola Bensky Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lily Brett
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psychedelischen Hemden und Mädchen in langen Blumenkleidern. Andere trugen T-Shirts und Shorts oder Tweedjacken mit Lederflicken oder Militärhosen zu Jacken, die mit goldenen Bändern und ge
stickten Emblemen verziert waren. Mehrere junge Frauen trugen kurze Sommerkleider mit schwarzen Strumpfhosen und kniehohen schwarzen Stiefeln. Es gab keine Uniform. Und keine Uniformität, abgesehen von einem greifbaren, beinahe konkreten Gefühl guten Willens.
    Über die Lautsprecheranlage wurde Musik übertragen. Paare tanzten im Gras. Andere gingen oder saßen herum oder aßen. Frisches Obst. Lola hatte noch nie so viele Menschen Obst essen sehen. Jeder schien einen Apfel oder eine Orange oder ein Stück Wassermelone in der Hand zu haben. Als wären Früchte ein Symbol für einen Neuanfang.
    Lola hatte das Gefühl, auf einem anderen Planeten gelandet zu sein. Wurde sie gerade Zeugin einer Revolution? Dass die Welt sich über Nacht verändern konnte, das wusste sie. Renias Zukunft hatte sich über Nacht verändert. Sie hatte sich um ihre eigene Achse gedreht und war zerbrochen, zerschmettert worden, zu Bruch gegangen. War in tausend Teile voller Risse, abgeschlagener Ecken und Splitter zersprungen. Über Nacht hatte sich alles verändert. Eben war Renia noch ein schönes, lernbegieriges junges Mädchen gewesen. Im nächsten Moment war sie eine verwahrloste Gefangene, die wie alle Juden aus Lodz in einer Welt eingesperrt war, in der es an beinahe allem fehlte, was der Mensch brauchte.
    Ein junger Mann mit Schottenrock und einem Stirnband mit Tartanmuster bot Lola eine Orange an. Er nahm die Orange von der Ladefläche eines alten Lieferwagens, der mit Orangenkisten gefüllt war. »Danke«, sagte Lola.
    »Sehr gerne«, sagte er mit einer schwungvollen Verbeugung.
    Die Gemeinde von Temple Beth El hatte einen Laden eingerichtet, in dem man Pastrami-Sandwiches kaufen konnte. Es gab einen Stand mit Soulfood, und der Kiwani-Club Mon
terey, der zu einer internationalen Stiftung zur Unterstützung notleidender Kinder gehörte, kochte frische Maiskolben und servierte sie heiß am Spieß. In anderen Teilen des Geländes konnte man makrobiotisches Essen, Popcorn, Poster, Broschen, Anstecknadeln und Papierkleider kaufen.
    Auf dem Festival gab es viele Polizisten. Die Polizisten mit ihren glänzenden blauen Helmen lächelten ebenfalls. Etliche von ihnen hatten sich Blumen unter die Riemen ihrer Helme gesteckt. Lola verwarf den Gedanken, auch nur zu versuchen, Renia diese Szene zu beschreiben, wenn sie ihr die nächste Postkarte schickte.
    Sie sah Brian Jones umherwandern, der beinahe ätherisch wirkte mit seinen blonden Haaren. Brian Jones trug ein pinkfarbenes Cape, ein gemustertes Seidenhemd und mehrere, offensichtlich übereinander geschlungene gemusterte Seidenschals. Lola wusste, dass Brian Jones es liebte, sich extravagant zu kleiden. Er trug oft mehrere Schichten Satin, dazu Spitze, Halsketten und Rüschen. Sein Stil hatte ihn in England zu einer Art Mode-Ikone gemacht. Er sah aus, als wäre er halb im Traum. Dem Treiben um ihn herum entrückt. Lola war mit ihm in weniger als einer Stunde zum Interview verabredet. Sie hatte gehört, er sei hypersensibel, ein wenig schreckhaft und häufig stoned. Man hatte ihr erzählt, er nehme viel Mandrax, ein Sedativum und Muskelrelaxans mit barbituratähnlicher Wirkung, und dazu noch jede Menge anderer Drogen.
    Lola hatte einige Kindheitsfotos von Brian Jones gesehen. Er hatte darauf nicht wie ein glückliches Kind gewirkt. Seine Mutter war Klavierlehrerin und sein Vater Flugzeugingenieur, der ebenfalls Klavier spielte und den Kirchenchor leitete. Trotz seiner Mittelschichtskindheit wirkte Brian Jones schon auf diesen Fotos verloren.
    Sein schwerer Drogen- und Alkoholkonsum schien sich bereits auf seine Gesundheit ausgewirkt zu haben. Er war schon mehrmals wegen »gesundheitlicher Probleme« ins Krankenhaus eingeliefert worden. Lola nahm an, dass der Alkohol und die Drogen seine eigenbrötlerischen, unsozialen Züge wahrscheinlich noch verstärkten.
    Außerdem gab es an Brian Jones etwas, das sogar noch beunruhigender war. Lola hatte gehört, dass er manchmal seine Freundin Anita Pallenberg verprügelte. Anita Pallenberg war schon häufig mit blauen Flecken auf den Armen gesehen worden. Eine Menge Leute schienen darüber Bescheid zu wissen. Aber offenbar störte es niemanden besonders. Lola fragte sich, warum es kriminell war, jemanden auf der Straße zu verprügeln, während es als normal und

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