Lords of Salem: Roman (German Edition)
in Ordnung.
12
D a zeigt es sich mal wieder, man glaubt, man hätte schon alles gesehen, und dann zaubern sie die nächste Horrorshow aus dem Hut , dachte Cerina Hooten. Ich muss mir einen neuen Job besorgen. Sie saß an dem Empfangspult und klopfte mit der Bleistiftspitze auf die Kante. Wie sollte sie unter diesen Umständen arbeiten? Okay, Musiker waren exzentrisch, aber das ging zu weit. Und hätten sie nicht den Anstand aufbringen können, sich irgendwo anders im Warteraum hinzusetzen, statt gleich auf die Stühle vor ihr, wo sie sich Auge in Auge gegenübersaßen? Was war aus den guten Sitten geworden? Sie zerzauste sich ihre buschige Afrofrisur. Nein, nein. Man konnte nicht von ihr erwarten, dass sie irgendetwas abtippte, während die sie die ganze Zeit anstarrten, auch wenn der Chef des Senders gesagt hatte, es sei dringend. Er konnte froh sein, dass sie überhaupt noch ans Telefon ging.
Ihr Promo-Foto lag vor ihr auf dem Pult, und sie hatte einen Edding in der Hand. Sie hatte gedacht, das Foto wäre beschriftet, aber das stimmte nicht, deshalb würde sie mit ihnen sprechen müssen, um sie zu fragen, wer wer war, sonst würde sich Chip, der Senderchef, beschweren. Sie betrachtete das Foto genauer. Darauf sahen sie genauso schlimm aus wie in Wirklichkeit. Bäh. Schrecklich. Warum gab es Leute, die sich als Leichen verkleideten? Sie erschauderte. Es war einfach nur krank.
» Ähm, Entschuldigung«, sagte sie.
Keiner von ihnen blickte auf. Vielleicht war ihnen nicht klar, dass sie gemeint waren, aber wie konnte das sein? Sie waren die einzigen beiden anderen Leute im Empfangsbereich. Sie waren Ausländer, oder? Norweger vielleicht. Vielleicht sprachen sie kein Englisch.
Aber nein, dachte sie nach einem Augenblick, wenn sie nicht Englisch sprächen, würden sie wohl kaum zu einem Radiointerview kommen. Sie waren einfach nur schwierig.
» Hey du«, sagte sie. » Der Ghul, der Highlights liest.« Highlights? , wunderte sie sich. Ist das nicht eine Kinderzeitschrift? Der Mann blickte auf. Sein Gesicht war weiß geschminkt, nur die Augen verloren sich in dunklen Pfützen. Die blutrot nachgezeichneten Lippen waren über seinen echten Mund hinaus verschmiert, und Blut – oder etwas, das so aussah – schien ihm vom Kinn auf die Brust getropft zu sein. Mit Nägeln gespickte Lederriemen bildeten eine Art Kopfbedeckung. Ein Geschirr aus schwarzem Leder, aus dem größere Stacheln herausragten, war seine einzige Kleidung, vielleicht das, was sich ein Perverser unter einer Lederhose vorstellte. Unweigerlich musste sie darüber nachdenken, was die Nieten auf dem Vinylstuhl anrichten würden, auf dem er saß. Wer würde das bezahlen?
» Wer von euch ist Count Gorgann?«, fragte sie.
Der Musiker, der Highlights las, hob die Hand zu einem satanischen Gruß, bei dem der Zeigefinger und der kleine Finger ausgestreckt und die beiden mittleren Finger zur Handfläche abgeknickt waren. Er wedelte mit der herausgestreckten Zunge und zeigte mit den Fingern auf sein Gesicht.
» Gut«, sagte Cerina. Sie wandte sich zu dem Mann neben ihm. » Dann musst du wohl Dr. Butcher sein.«
Dieser hatte sein Gesicht offenbar zuerst schwarz angemalt und dann weiße Schminke aufgetragen. Dadurch wirkte es wie ein zerbrochener Schädel, aus dessen Sprüngen Dunkelheit sickerte. Je länger sie es ansah, desto beunruhigender kam es ihr vor. Sein Mund war blutrot angemalt, und die überzeichneten Mundwinkel reichten bis zum Kinn hinab. Wie viel Asche geben die wohl im Monat für Schminke aus? , überlegte Cerina, was in ihr die Frage aufwarf, ob sie ihr eigenes Make-up überprüfen sollte. Dr. Butchers Arme waren von den Ellbogen bis zu den Handgelenken mit ledernen Schützern bedeckt, aus denen rostige Stacheln aufragten. Hohes Tetanusrisiko , dachte Cerina unwillkürlich. Er trug mehr Kleider als sein Kollege, ein schwarzes T-Shirt mit abgerissenen Ärmeln und eine schwarze Jeans, aber über der Jeans hatte er eine Art Hosenbeutel befestigt, aus dem die Spitzen Dutzender Schrauben herausstachen. Er hob kurz den Kopf. Er öffnete weit den Mund, um seine schwarzfleckigen Zähne zu zeigen, dann widmete er sich wieder seiner Zeitschrift.
» Ich betrachte das als ein Ja«, sagte sie.
Ihr wollt mich wohl verarschen , dachte sie, als sie sorgfältig die Namen mit dem Edding unter die richtigen Bilder schrieb. Verdammt, ich muss mir wirklich einen besseren Job besorgen.
» Ist das dein Ernst?«, fragte Heidi. » Ich bin das Problem?«
» Du
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