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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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fertigkriegen, für den alten…«
    Nanny hörte ihm gar nicht zu. »Nun, was ist hier geschehen, während
    ich fort gewesen bin, Junge?«
    Geistesabwesend stocherte Jason mit einer Eisenstange im Feuer.
    »Äh, in der Silvesternacht hat’s gestürmt, und eine von Mütterchen
    Peasons Hennen legte das gleiche Ei dreimal, und Kükenarms Kuh
    brachte eine siebenköpfige Schlange zur Welt, und drüben in Schnitte
    regnete es Frösche…«
    »Es war also nichts Besonderes los.« Nanny Ogg begann damit, sich
    beiläufig und gleichzeitig recht bedeutungsvoll die Pfeife zu stopfen.
    »Es war ziemlich ruhig«, meinte Jason. Er zog die Eisenstange aus dem
    Feuer, legte sie auf den Amboß und hob den Hammer.
    »Früher oder später finde ich’s heraus«, ließ sich Nanny Ogg verneh-
    men.
    Jason drehte nicht den Kopf, aber der Hammer verharrte mitten in der
    Luft.

    »Mir bleibt nie etwas verborgen«, betonte Nanny. »Das weißt du ja.«
    Das heiße Eisen verfärbte sich: Aus der Farbe von frischem Stroh
    wurde ein hel es Rot.
    »Und du weißt auch, daß du dich immer besser fühlst, wenn du dich
    deiner Mutter anvertraut hast«, sagte Nanny Ogg.
    Das Eisen kühlte weiter ab: Helles Rot metamorphierte zu leise zi-
    schendem Schwarz. Jason war an die Hitze der Schmiede gewöhnt, doch
    jetzt brach ihm der Schweiß aus.
    »Du solltest das Eisen bearbeiten, bevor’s kalt wird«, riet Nanny ihrem
    Sohn.
    »Es ist nicht meine Schuld, Mama! Wie hätte ich sie aufhalten kön-
    nen?«
    Nanny lehnte sich auf dem Stuhl zurück und lächelte zufrieden.
    »Wen meinst du, Junge?«
    »Die junge Diamanda und Perdita und die Rothaarige aus dem Blöden
    Kaff und noch ‘n paar. Dem alten Peason habe ich gesagt: Mama wird
    sich bestimmt drüber ärgern. Ja, das habe ich gesagt. Und auch mit ihnen habe ich gesprochen. Wartet’s nur ab – Oma Wetterwachs wird außer
    sich geraten und sehr, äh, sarkastisch sein, wenn sie davon erfährt. Habe ich ihnen gesagt. Aber die Mädchen haben nur gelacht und gemeint, sie
    könnten sich die Hexerei ohne irgendwelche Hilfe beibringen.«
    Nanny nickte. In diesem Punkt hatten sie durchaus recht. Man konnte
    sich die Hexerei selbst beibringen. Aber in dem Fal mußten Lehrer und
    Schüler besonders schlau sein.
    »Diamanda?« wiederholte sie. »Diesen Namen höre ich jetzt zum er-
    stenmal.«
    »Eigentlich heißt sie Lucy Tockley«, erwiderte Jason. »Sie meinte, Dia-
    manda klingt mehr nach einer Hexe.«
    »Aha. Die junge Dame mit dem großen Schlapphut?«
    »Ja, Mama.«
    »Malt sich ihre Fingernägel schwarz an?«
    »Ja, Mama.«
    »Der alte Tockley hat sie zur Schule geschickt, nicht wahr?«

    »Ja, Mama. Sie ist zurückgekehrt, während du unterwegs warst.«
    »Aha.«
    Nanny Ogg entzündete ihre Pfeife am Schmiedefeuer. Schlapphut,
    schwarze Fingernägel und Bildung. Lieber Himmel…
    »Wie viele sind es?« fragte sie.
    »Etwa ein halbes Dutzend. Und sie bringen was zustande, Mama.«
    »Ach?«
    »Ja, und eigentlich richten sie gar keinen Schaden an.«
    Nanny Ogg blickte nachdenklich ins Feuer.
    Nannys Schweigen konnte unauslotbar tief sein. Und manchmal blieb
    es nicht einfach unbestimmt, sondern gewann eine klar definierte Rich-
    tungskomponente. Zum Beispiel jetzt: In Jason verdichtete sich der Ein-
    druck, daß das Schweigen auf ihn zielte.
    Er fiel immer darauf herein und versuchte, die Leere der Stille zu fül-
    len.
    »Außerdem hat Diamanda eine wirklich gute Bildung«, sagte er. »Sie
    kennt einige richtig gut klingende Worte.«
    Das Schweigen dauerte an.
    »Und du hast dich immer darüber beklagt, daß die jungen Mädchen
    von heute kein Interesse an der Hexerei zeigen«, fuhr Jason fort. Er griff
    wieder nach der Eisenstange und schlug einige Male halbherzig auf sie
    ein.
    Weiteres Schweigen strömte in seine Richtung.
    »Bei jedem Vol mond ziehen sie los und tanzen in den Bergen.«
    Nanny Ogg nahm die Pfeife aus dem Mund und blickte in ihren Kopf.
    Jason senkte die Stimme. »Es heißt, sie tanzen ganz, äh, ohne.«
    »Ohne was?« fragte Nanny unschuldig.
    »Du weißt schon, Mama. Ohne Kleidung.«
    »Donnerwetter. Na so was. Hat jemand beobachtet, welchen Ort sie
    aufsuchen?«
    »Nein. Weber, der Dachdecker, meint, sie entwischen ihm immer.«
    »Jason?«

    »Ja, Mama?«
    »Sie tanzen bei den Steinen.«
    Jason schlug sich auf den Daumen.

    In den Bergen und Wäldern von Lancre gab es viele Götter. Einer von
    ihnen hieß Hern der Gejagte. Er war der Gott des Jagens und Verfol-
    gens. Mehr oder

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