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Lords und Ladies

Lords und Ladies

Titel: Lords und Ladies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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Denkens und Empfindens um sie herum geschaltet. Für sie
    war es ein Teil der Hexerei. Mit anderen Augen zu sehen…
    Zum Beispiel mit denen von Mücken. Das langsame Muster der Zeit
    im schnel en eines Tages zu beobachten, wie Blitze hin und her zucken-
    de Gedanken zu ertasten…
    … mit dem Körper eines Käfers zu lauschen, die Welt als dreidimen-
    sionales Muster aus Vibrationen wahrzunehmen…
    … mit der Nase eines Hunds zu sehen, zahlreiche Gerüche wie Far-
    ben…

    Aber man mußte einen Preis dafür bezahlen. Niemand bat darum, und
    gerade deshalb wurde er zur moralischen Pflicht. Man neigte dazu, nicht
    nach Mücken zu schlagen. Man grub mit besonderer Vorsicht. Man füt-
    terte den Hund. Man bezahlte. Man nahm Anteil. Nicht nur aus reiner Höflichkeit, sondern weil es richtig war. Man hinterließ nur Erinnerungen, und man trug allein Erfahrungen fort.
    Doch jenes andere umherstreifende Ich… Wie eine Kettensäge drang
    es in Selbstsphären ein, nahm und nahm und nahm. Oma spürte die
    Form, eine raubtierartige Struktur, gefüllt mit Grausamkeit und kalter
    Lieblosigkeit. Ein Selbst voller Intelligenz, das andere Lebewesen be-
    nutzte und quälte, weil es Spaß machte.
    Oma Wetterwachs kannte einen Namen für ein derartiges Bewußtsein:
    Elf.

    Zweige knarrten und knackten hoch oben in den Baumwipfeln. Wind
    rauschte wie Meereswel en.
    Oma und Nanny schritten durch den Wald. Besser gesagt: Oma Wet-
    terwachs schritt. Nanny Ogg trippelte.
    »Die Herren und Herrinnen versuchen, einen Weg hierher zu finden«,
    sagte Oma. »Und das ist noch nicht al es. Etwas hat bereits unsere Welt
    erreicht – ein Tier von der anderen Seite. Pirsch jagte einen Bock in den
    Kreis, und jenes Geschöpf muß dort gewartet haben. Es heißt, etwas
    kann hierhergelangen, wenn dafür etwas anderes ins Drüben wechselt.«
    »Was für ein Tier meinst du?« fragte Nanny.
    »Du kennst ja die Augen von Fledermäusen. Mein Exemplar sah nur
    einen großen Schemen. Etwas hat Pirsch getötet. Ein Wesen, das sich
    noch immer hier herumtreibt. Es gehört nicht zu den Herren und Her-
    rinnen, kommt aber von… von jenem Ort.«
    Nanny sah zu den Schatten. Des Nachts gibt es ziemlich viele Schatten
    im Wald.
    »Hast du Angst?« fragte sie.
    Oma ließ die Fingerknöchel knacken.
    »Nein. Aber ich hoffe, daß es sich fürchtet.«

    »Oh, du hast völ ig recht. Du bist tatsächlich stolz, Esmeralda Wetter-
    wachs.«
    »Wer hat das gesagt?«
    »Du selbst. Vorhin.«
    »Ich habe mich nicht gut gefühlt.«
    Jemand anders hätte viel eicht gesagt: Ich war nicht ich selbst. Aber
    Oma Wetterwachs konnte überhaupt nicht jemand anders sein.
    Die beiden Hexen eilten durch den Sturm.
    Das Einhorn stand hinter einem großen Dornbusch und sah ihnen
    nach.

    Diamanda Tockley trug tatsächlich einen Schlapphut aus schwarzem
    Samt. Mit Schleier!
    Perdita Nitt – bis sie die Hexerei für sich entdeckt hatte, hatte sie
    schlicht Agnes Nitt geheißen – trug ebenfal s einen schwarzen Schlapp-
    hut mit Schleier, und zwar nur deshalb, weil Diamanda auch einen trug.
    Beide waren siebzehn. Perdita wünschte sich, von Natur aus ebenso dürr
    zu sein wie Diamanda. Nun, da das für sie nicht in Frage kam, versuchte
    sie zumindest, ungesund auszusehen. Zu diesem Zweck verbarg sie ihre
    normalerweise rosarote Haut unter weißem Make-up. Es bildete eine so
    dicke Schicht, daß Perdita riskierte, ihr Gesicht am Hinterkopf zu tragen,
    wenn sie sich plötzlich umdrehte.
    Sie hatten sich mit der Beschwörung des steilen Zapfens der Macht be-
    schäftigt, auch mit Kerzenmagie und Kristal kugelprophetie. Jetzt wol te
    Diamanda ihren Gefährtinnen zeigen, wie man mit den Karten umging.
    Angeblich enthielten sie die destillierte Weisheit der Alten. Tief in ih-
    rem Innern fragte sich Perdita, wer damit gemeint sein mochte. Es konn-
    te sich wohl kaum um Eltern oder Großeltern handeln, die Diamanda als
    dumm bezeichnete. Allerdings versäumte sie zu erklären, warum diese
    Alten soviel weiser waren als zum Beispiel moderne Leute.
    Darüber hinaus verstand Perdita nicht, was es mit dem femininen
    Prinzip auf sich hatte. Und sie wurde unsicher, wenn sie an die Sache mit
    dem inneren Selbst dachte. Sie zweifelte immer mehr daran, eins zu be-
    sitzen.

    Sie wünschte sich solche ausdrucksvol en Augen wie Diamanda.
    Sie wünschte sich, hochhackige Schuhe ebensogut tragen zu können
    wie Diamanda.
    Amanita DeVice hatte ihr erzählt, daß Diamanda in einem echten Sarg
    schlief.
    Sie

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