Lords und Ladies
geeigneten
Grabstätte wol te sie einfach nur im Schaukelstuhl sitzen, die Bäume
beobachten und über die Vergangenheit nachdenken. Jetzt deutete al es
darauf hin, daß sie dazu keine Gelegenheit mehr bekommen sol te.
Da war auch noch etwas anderes. Omas Gedächtnis schien verrückt zu
spielen. Viel eicht schwand man zum Schluß einfach so dahin, wie Müt-
terchen Oweh: Sie hatte es fertiggebracht, die Katze auf den Herd zu
setzen und den Kessel für die Nacht nach draußen zu stellen.
Oma schloß die Tür hinter sich und zündete eine Kerze an.
Die Kommodenschublade enthielt eine Schatul e. Oma Wetterwachs
öffnete sie auf dem Küchentisch und entnahm ihr ein sorgfältig zusam-
mengefaltetes Blatt Papier. Anschließend griff sie nach Federkiel und
Tinte, überlegte kurz und fügte ihrem Testament folgende Sätze hinzu:
… Meiner Froindin Gytha Ogg hinterlassige ich das Bette und den Klaiderschtänder den der Schmied im Blöden Kaf für mich gemachet hat. Krug und Topfe und das Sehrvieß auf das sie immer ein Auge geworfen habet bekommigt sie ebenfal s. Auser-dem auch meinen Besen der nur ein wenig in Schwung gebracht werden muß dann issa wie noi.
Magrat Knoblauch soll erhaltigen den übrigen Inhalt dieser Schatul e sowie das Teesehrvieß mit dem Milchkruge in Form einer lustigen Kuh was isset ein Erbsch-tück. Darüber hinausse vermachige ich ihr die Uhr meiner Mutter aber nur unter der Bedingung dasse sie jeden Tag aufgezogen werdet. Denn wenn sie stehenbleibt…
Draußen war ein Geräusch zu hören.
Wenn jemand Oma Wetterwachs Gesellschaft geleistet hätte, wäre sie
bereit gewesen, kühn die Tür aufzureißen. Doch da sie ganz al ein war,
griff sie nach dem Schürhaken und schlich zur Tür, wobei es ihr trotz der Stiefel gelang, erstaunlich leise zu sein. Dort verharrte sie und lauschte.
Irgend etwas war im Garten.
Nun, es handelte sich nicht um einen sehr eindrucksvollen Garten, es
waren nur einige Beete mit speziel en Kräutern, ein paar Obststräucher,
ein kleines Stück Rasen und natürlich die Bienenstöcke. Einen Zaun
oder dergleichen gab es nicht – die Tiere des Waldes hüteten sich davor,
dem Garten einer Hexe zu nahe zu kommen.
Vorsichtig öffnete Oma Wetterwachs die Tür.
Der Mond ging gerade unter. Blasses, perlmuttenes Licht tilgte die
Farben aus der nächtlichen Welt, ließ nur Platz für Grau.
Ein Einhorn stand auf dem Rasen. Oma roch den Gestank sofort.
Sie trat näher und hielt den Schürhaken bereit. Das Einhorn wich zu-
rück und scharrte mit den Hufen.
Oma warf einen neuerlichen Blick in die Zukunft. Das Wann kannte sie bereits, und nun boten sich ihr erste Hinweise aufs Wie.
»Ich weiß, woher du kommst«, sagte sie leise. »Kehr dorthin zurück.«
Das Geschöpf entschloß sich zu einem Scheinangriff – sofort schwang
der Schürhaken in die entsprechende Richtung.
»Kannst das Eisen nicht ausstehen, wie?« meinte Oma Wetterwachs.
»Lauf zu deiner Herrin zurück und sag ihr, daß wir in Lancre übers Eisen
Bescheid wissen. Außerdem kenne ich sie. Ich gebe ihr den guten Rat,
sich von diesem Ort fernzuhalten. Hier bin ich zu Hause!«
Der Mondschein schwand und wich Tageslicht.
Auf dem zentralen Platz von Lancre – sofern man in diesem Zusam-
menhang überhaupt von einem »Platz« sprechen konnte – hatte sich eine
große Menge versammelt. In Lancre war nicht viel los, und ein Duell
zwischen Hexen war zweifel os sehenswert.
Oma Wetterwachs traf um Viertel vor zwölf ein. Nanny Ogg wartete
auf einer Bank bei der Taverne. Sie hatte sich ein Handtuch um den Hals
geschlungen und trug einen Eimer mit Wasser und Schwamm.
»Was hast du damit vor?« fragte Oma.
»Ist für die Halbzeit. Außerdem habe ich ein Tablett mit Orangen-
scheiben vorbereitet.«
Sie deutete darauf. Oma Wetterwachs schnaubte abfäl ig.
»Du siehst aus, als könntest du etwas zu essen vertragen«, sagte Nanny.
»Scheinst heute noch nichts in den Magen bekommen zu haben…«
Sie sah auf Omas Stiefel, bemerkte auch den Schmutz am Saum des
langen schwarzen Kleids. Hier und dort zeigten sich kleine Reste von
Adlerfarn und Heidekraut.
»Du dumme alte Gans!« zischte sie. »Was hast du gemacht ?«
»Ich mußte…«
»Du bist bei den Steinen gewesen, nicht wahr? Hast versucht, sie zu-rückzuhalten, stimmt’s?«
»Ja«, bestätigte Oma. Ihre Stimme klang nicht müde. Und sie schwank-
te auch nicht. Aber sie offenbarte nur deshalb keine Zeichen von Mü-
digkeit, weil
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