Louisiana-Trilogie 1 - Tiefer Süden
kurzen Pause fort. »Das mußt du mir glauben. Vermutlich ist das die Belohnung, wenn ein Mann eine Frau zu sehr liebt, um vernünftig zu sein, und nicht auf sie wartet. Ich wußte nicht, daß du schon so bald ein Kind haben würdest, und ich hoffte, dieses Blockhaus würde mindestens ein Jahr halten. Bitte, liebes Herz, sag doch, daß du mich trotz alledem noch liebst. Du mußt mich doch lieben, sonst wärst du in jener Nacht nicht mit mir gekommen.«
Sie weinte jetzt ruhiger, ohne zu schluchzen.
»Ach, Philip, ich liebe dich so sehr! Aber ich habe keine Ruhe und keinen Frieden gehabt, seitdem ich dich gesehen habe. Nichts als furchtbare Hitze, schreckliche Moskitos und Ratten! Ich bin so krank, und meine Fußgelenke sind geschwollen –«
»Ich weiß es, mein Kind. Kann ich nicht irgend etwas tun, um dir zu beweisen, daß es mir leid tut?«
»Ja. Besorge Kitt, um die Löcher in den Wänden und im Dach zuzumachen.«
Er unterdrückte ein Lachen. »Wenn ich das nächste Mal zur Stadt fahre, bringe ich ihn mit. Ich habe ja versucht, dir zu erklären, daß ich nicht viel tauge.«
»Ja, aber es stimmt nicht«, erwiderte sie und legte die Arme um seinen Hals. »Halte mich fest. Liebst du mich wirklich so sehr, wie du immer gesagt hast?«
»Ich wußte nicht, daß du zuhörtest.«
»Das tat ich auch nicht. Aber ich verstand es doch. Ich liebe dich doch so sehr, Philip, und es ist mir ganz gleich, was geschieht, solange ich dich habe.«
»Fürchtest du dich auch nicht mehr wegen des Kindes?«
»Nein, kein bißchen. Ich hoffe, daß ich ein Dutzend bekomme und daß sie alle aussehen wie du.«
Sie zog ihn an sich, und er küßte sie, und an diesem Abend fürchtete sie sich auch wirklich nicht.
4
A ber am nächsten und übernächsten Tag erwachte die Angst wieder, und während der folgenden Zeit fürchtete sich Judith mehr und mehr, wenn sie auch Philip kein Wort davon sagte.
Es war niemand da, den sie fragen konnte, und selbst wenn es anders gewesen wäre, hätte sie nicht gewußt, welche Fragen sie stellen sollte. Eines Tages schickte Gervaise einen Diener, der ein großes Stück feinen Musselin und einen merkwürdig falsch geschriebenen Brief brachte. Gervaise konnte zwar sehr gut englisch sprechen, aber nicht schreiben.
An einem anderen Tag kam eine Dame und schenkte Judith Flanellstoff, um Windeln und Wäsche für ihr Baby zu machen. Sie sprach mit einem auffallend französischen Akzent.
»Ich bin Sylvie Durham. Mein Mann ist Amerikaner und baut Flachboote für den Fluß. Wenn Sie erst die schwere Zeit hinter sich haben, besuchen Sie uns doch einmal?«
Judith sagte zu und dankte ihr. Alle Leute in Dalroy schienen Philip zu kennen und zu wissen, daß seine Frau ein Kind erwartete. Aber sie konnte diese fremden Frauen nicht fragen. Währenddessen fühlte sie, wie sich das Kind in ihrem Körper bewegte. Das war sehr seltsam, aber sie wußte nicht, was später kommen würde. Philip sagte, daß sie das Kind im Februar haben würde. Vielleicht wußte Angelique etwas darüber, aber die neue Sklavin sprach noch nicht gut genug englisch, als daß man sich viel mit ihr hätte unterhalten können.
Immerhin war es ein Trost, Angelique um sich zu haben, denn früher war diese die Zofe einer Dame gewesen. Sie konnte Judiths Haar in mindestens zehn verschiedene wundervolle Frisuren legen und beim Nähen so feine Stiche machen, daß sie kaum zu sehen waren. Sie half Judith, aus dem Musselin und Flanell Wäsche für das Baby anzufertigen. Judith brachte ihr bei, wie man die Buchstaben des Alphabets schrieb, wie sie es selbst gelernt hatte, als sie noch ein kleines Mädchen war. Sie verbrachten vergnügte Stunden miteinander, als die Winternebel das Land bedeckten und Judith lieber am Feuer saß als draußen umherging. Jeden Tag freute sie sich mehr darüber, daß Philip Angelique gekauft hatte, um ihr in dieser beschwerlichen Zeit Gesellschaft zu leisten.
Aber die Sorge und die Angst, was später geschehen würde, steigerten sich immer mehr, je weiter die Zeit fortschritt.
An einem nebligen Dezembertag verließ Judith das Haus, um spazierenzugehen, während Angelique hinter dem Blockhaus wusch. Als sie in die Nähe der Negerzelte kam, hörte sie ein verzweifeltes Stöhnen. Jemand mußte furchtbare Schmerzen haben. Verstört blieb sie stehen. Im nächsten Augenblick wurde aus dem Stöhnen ein entsetzliches Schreien, als ob ein Tier, das sich in einer Falle gefangen hatte, in höchster Todesangst wäre.
Judith stürzte
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