Louisiana-Trilogie 2 - Die noble Straße
zu fechten und im übrigen das Maul zu halten.«
Corrie May lachte laut heraus. »Sie sind mir ein feiner Patriot, Mr. Gilday, ein feiner Patriot!«
»Aber Kindchen!« sagte Gilday mit einer Stimme, die nur so schwirrte von Spott und verstelltem Beleidigtsein. »Ich bin einer der feinsten Patrioten, die Gottes Sonne je beschienen hat. Ich habe Kriegsanleihen gekauft, und ich habe jungen Damen Geld gespendet, die für die Hospitäler sammeln kamen, ich habe auf den Wohltätigkeitsbasars der Soldatenhilfe getanzt und obendrein Nadelkissen, Tintenwischer und gehäkelte Sofaschoner und sonst noch alles mögliche erworben, was ich noch viel weniger gebrauchen konnte.« Er stimmte in das schallende Gelächter ein, das zu bemeistern sie sich längst keine Mühe mehr gab. »Aber, Corrie Maychen! Wo denkst du hin! Wenn ich nicht als erstklassiger patriotischer Bürger bekannt gewesen wäre – glaubst du denn, die Regierung hätte mich dazu ernannt, hier für die armen Neger nach dem Rechten zu sehen und darauf aufzupassen, daß das reiche, vornehme Volk im Bezirk Dalroy richtig seine Steuern bezahlt?«
Corrie May schüttelte tief bewegt ihr Haupt. Mit einer Bewunderung, die fast an Ehrfurcht grenzte, meinte sie: »Mr. Gilday, wenn mich nicht alles täuscht, sind Sie der gemeinste Mensch, den ich in meinem ganzen Leben gesehen habe.«
Gilday lächelte. Seine Augen glitten über sie hin. Wieder ließ er jenes schlimme triumphierende Glucksen tief im Halse hören, das ihr schon vertraut war. »Da magst du recht haben, Kindchen!« stimmte er zu. Er faltete seine Hände auf dem Schreibtisch und fuhr fort, sie höchst erheitert zu betrachten.
Plötzlich schwang sie sich zu der Frage auf: »Wer sind Sie eigentlich, Mr. Gilday? Wo stammen Sie her?«
Ohne seine kleinen Augen von ihr abzuziehen, antwortete er: »Wenn du es wissen willst, wo ich geboren bin –? Auf einer Farm im Kreise Ulster, im Staate New York, nicht weit von Kingston.«
Seine Augen wurden noch kleiner und enger als sonst. Nun blickte er sie nicht mehr an; er schaute an ihr vorbei und auf die Wand, als wäre sie durchsichtig und hinter ihr läge jene Farm im Staate New York, an die ihre Frage ihn erinnert hatte. Er preßte die Lippen zusammen; hatte er nicht etwas sagen wollen und sich dann doch eines Besseren besonnen –?
Corrie May sagte nachdenklich: »Verrückt ist das mit Ihnen, Mr. Gilday! Alles, was Sie tun, ist schlimm – und dann kommt es mir wieder so vor, als hätten Sie das alles tun müssen, ob Sie nun wollten oder nicht.«
»Tun müssen –?« wiederholte er. »Stimmt! Tun müssen, ob ich wollte oder nicht!«
Er blickte immer noch an ihr vorbei in eine unbestimmte Ferne. Die beiden Menschen schwiegen lange. Draußen vor den Fenstern schwatzten die Neger in ihrem seltsam verwischten Englisch; sie hockten, wie stets jetzt, auf dem Rasen vor dem Gerichtsgebäude und hielten Maulaffen feil. Endlich nahm Mr. Gilday den Faden wieder auf; er redete wie geistesabwesend und mehr für sich als für seine Zuhörerin.
»Meine Mutter hat dreizehn Kinder zur Welt gebracht; aber vier von ihnen sind bloß groß geworden. Irgendeines von meinen Geschwistern war immer am Sterben, so kommt es mir vor, wenn ich heute daran zurückdenke. Und was mußten wir schuften! Ich war kaum neun Jahre alt, und dann um vier Uhr aufstehen und das Vieh versehen –! Und es war kalt –! Mein Gott, diese Winter! Ich melkte die Kühe, und gleich gefror mir die Milch im Eimer. Hast du jemals auf Frostbeulen laufen müssen, Corrie May?«
»Frostbeulen? Was sind Frostbeulen?«
»Du kennst sie nicht einmal dem Namen nach – das dachte ich mir. Deshalb bin ich auch südwärts gezogen. Ich wollte von den fürchterlichen Wintern nichts mehr wissen. Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ich hab' schon ewig lange nicht mehr davon gesprochen.«
»Nun, wenn schon! Weiter, bitte!« sagte Corrie May. Sie wunderte sich, wie leise und gierig zugleich ihre Stimme klang.
Gilday erhob sich. Er steckte seine Fäuste in die Jackentaschen und schritt zum Fenster, lehnte sich an das Brett davor, schien Corrie May nach wie vor nicht wahrzunehmen und fuhr fort:
»Zuerst habe ich in Virginia auf einer Baumwollplantage gearbeitet. Der Besitzer ließ sich selten auf der Pflanzung sehen; er verbrachte seine Zeit meistenteils in New York oder auf Reisen in Europa. Ein niederträchtiger Bursche! Ewig steckte er in Schulden und machte uns Aufsehern die Hölle heiß; so große Ernten, wie
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