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Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes

Titel: Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gwen Bristow
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Gebärde das naßgeweinte Taschentuch fort und gab ihr ein sauberes in die Hand.
    Eleanor unterdrückte ein Schluchzen und versuchte ihre Augen zu trocknen. Kester half ihr auf die Füße.
    »Kann ich denn nicht zu ihr gehen?« drängte sie. »Kann ich nicht mit ihr sprechen?«
    »Nicht so«, sagte Kester, den Kopf schüttelnd. »Höre zu, Eleanor. Sie sieht nicht so gut wie wir. Sie wird nie wieder so gut sehen. Aber sie sieht jedenfalls. Und sie weiß es gar nicht, daß sie in Gefahr war, überhaupt nicht mehr sehen zu können. Wir dürfen sie um Gottes willen nicht aufregen. Es könnte sich unheilvoll für sie auswirken.«
    Eleanor zögerte noch, setzte sich aber schließlich. »Wie kannst du nur so vernünftig sein!« stammelte sie.
    »Ich bin gar nicht vernünftig, Eleanor. Ich fühle mich genauso wie du.« Er lächelte matt. »Ich habe dir eben nur wiederholt, was mir der Arzt gesagt hat.«
    Eleanor zitterte vor Nervosität. Sie spielte mit den Falten ihres Rockes, ließ die Hände aber ruhen, als sie sich über dem sinnlosen Spiel ertappte. »Wann können wir zu ihr gehen?« fragte sie.
    »In ungefähr einer Stunde. Sie sind noch dabei, einige Versuche zu machen. Miß Crouzet wird uns rufen.« Er legte ihr die Hand auf die Schulter. »Versuche dich zu beruhigen, ja?« sagte er leise.
    Ach, sie wollte so gern. Sie würde gewiß kein Wort sagen, das Cornelia aufregen und darauf aufmerksam machen könnte, heute sei ein besonderer Tag. Kester verließ sie schließlich. Sie nahm sich mit aller Gewalt zusammen, aber es gelang ihr nicht, Ruhe zu finden. Der plötzliche Hoffnungsschimmer hatte neue Energien in ihr ausgelöst. Um sich für die endlose Wartezeit einige Ablenkung zu verschaffen, telefonierte sie mit ihren Eltern, schrieb Wyatt einen Brief mit Anweisungen für die Plantagenarbeit und stellte endlich, nachdem sie die Adresse im Telefonbuch ermittelt hatte, einen Scheck für das Braille-Blinden-Institut aus, als Gabe des Dankes dafür, daß Cornelia die Hilfsmittel des Institutes nicht würde in Anspruch nehmen müssen.
VII
    T ag für Tag berichtete Cornelia nun von den Fortschritten, die sie machte. »Heute morgen konnte ich einen roten Ball von einem grünen unterscheiden. Der Doktor hat gesagt, das sei sehr gut.«
    Als sie versuchte, ihm die Dankbarkeit zum Ausdruck zu bringen, wehrte Dr. Renshaw ab. Er wolle ganz aufrichtig mit ihnen reden, sagte er. Cornelia könne sehen, aber ihr Augenlicht sei nicht und würde auch nie wieder fehlerfrei sein. Die Ophthalmie sei für diesmal zum Stillstand gebracht worden, aber Cornelia werde starke Augengläser tragen müssen, und es werde gut sein, ihre Aufmerksamkeit so viel wie möglich auf Musik und andere Interessen zu lenken, die ihre Augen nicht überanstrengten.
    Eleanor hörte zu, das Kinn auf die Hand gestützt. Sie sah, an dem Arzt vorüberblickend, die Knöpfe an Miß Crouzets weißem Kittel. Sie ließ Kester die Unterhaltung führen; sie selbst sah sich dazu nicht in der Lage.
    Es ist vielleicht nicht unbedingt tragisch, dachte sie. Aber es ist schlimm genug. Bis zum Ende ihres Lebens wird Cornelia das Zeichen eines Kampfes tragen, den ihre Eltern sinnloserweise miteinander ausfochten. Ob Kester eigentlich weiß, daß die Schuld bei uns liegt? Wenn er es nicht weiß, werden wir nie wieder eine Chance haben, von vorn zu beginnen. Ach Gott im Himmel, der Arzt sagt, wir sollen sie für Musik interessieren. Auch Musik wird sie nicht vor einer Erfahrung retten können, wie ich sie jetzt machen mußte. Hilf mir, lieber Gott, daß sie lernt, die Menschen zu verstehen, die anders sind als sie selbst! Hilf mir die Kinder davor zu behüten, daß sie stolz auf ihre eigenen Tugenden werden! ›Selig sind die Sanftmütigen – selig sind, die geistig arm sind – selig sind die Barmherzigen!‹ Ich habe das alles bisher nicht geglaubt.
    Zu ihrem Erstaunen hörte sie Kester fragen: »Dr. Renshaw, wird der Augenfehler Cornelias Äußeres beeinträchtigen?«
    Sie hob ruckhaft den Kopf. Seitdem das Unglück geschehen war, hatte sie keinen Gedanken an die Frage verwendet, ob Cornelia hübsch sei oder nicht. Aber Kester – sie stellte es mit leichter Belustigung fest – hatte natürlich daran gedacht. Nun, vielleicht war auch das nicht unwichtig.
    Dr. Renshaw gab beruhigende Versicherungen ab. Man würde fast gar nichts bemerken, sagte er, es sei denn, man unterziehe das Mädchen einer sehr kritischen Untersuchung. Denn eine sehr kleine Unregelmäßigkeit der einen

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