Louisiana-Trilogie 3 - Am Ufer des Ruhmes
Südost-Wechselbank, um mit Mr. Robichaux zu sprechen.
Mr. Robichaux begrüßte Kester sehr herzlich und liebenswürdig. Eleanor hatte den Verdacht, daß diese Liebenswürdigkeit die bittere Pille verzuckern sollte, die er ihm zu verabreichen gedachte. Sie spürte eine heftige Beklemmung, als sie sich niederließ. Kester eröffnete sogleich das Gespräch und begann damit, über allgemeine Geschäfte zu sprechen. Eleanor hörte ihm mit steigernder Verwunderung zu. Sie selbst pflegte bei wichtigen Gesprächen jederzeit gleich auf ihr Ziel loszugehen. Davon war Kester weit entfernt. Er plauderte über die Negerfrage, erkundigte sich höflich nach Mr. Robichaux' Enkelkindern (deren Namen er erstaunlicherweise auswendig kannte), gratulierte dem Bankier zu seinem Siege in einem unlängst ausgetragenen Schachturnier (wie, um alles in der Welt, konnte er überhaupt etwas von diesem Schachturnier wissen? fragte sich Eleanor verwundert) und brillierte mit Weisheiten, von denen sie sich nichts träumen ließ. Es war schon so: Kester wußte alles und kannte jedermann. Zweifellos hielt er Mr. Robichaux' Schachleidenschaft für wesentlich genug, um sich damit zu befassen. Mr. Robichaux jedenfalls gab sich von Minute zu Minute jovialer. Er erzählte Kester umständlich von einem äußerst verwickelten Hasardspiel, an dem er teilgenommen habe. Bald darauf wandte sich das Gespräch der Politik zu. Mr. Robichaux vertrat die Meinung, die Amerikaner, die in Streitigkeiten mit mexikanischen Banditen verwickelt worden seien, sollten sich nach Hause scheren und jedenfalls nicht erwarten, daß die Regierung ihnen Soldaten schicken werde, um sie zu schützen. Dergleichen Zwischenfälle könnten sehr leicht zum Kriege führen, und wer wollte schließlich Krieg mit Mexiko? »In der Tat, wer?« stimmte Kester zu. Man hatte von der alten Geschichte von Anno 1858 noch genug. Die USA bezogen wesentliche Dinge aus Mexiko.
»Aber natürlich«, sagte Mr. Robichaux, »seitdem wir einen Universitätsprofessor im Weißen Haus sitzen haben – wer will sagen, was da alles noch geschehen kann!« Kester nickte. Die Wahl von Mr. Wilson stelle eben einen Versuch mit einem Philosophenkönig dar; man müsse das Ergebnis abwarten. Meine Mr. Robichaux das nicht auch?
Lieber Gott! dachte Eleanor, was haben alle diese Geschichten nur mit den Ardeith-Hypotheken zu tun?
Von Mexiko sprang das Gespräch auf Mr. Robichaux' Reise nach Kalifornien im vergangenen Sommer. Bemerkenswertes Land, da drüben; leider soviel Wüste dazwischen; es war fast, als ob man nach einem anderen Kontinent reiste. Dachte Mr. Larne etwa daran, im nächsten Jahr zur Ausstellung nach San Franzisco zu fahren? Man redete davon, daß der Panamakanal eröffnet und für Reisezwecke bereit sein werde. Es war geplant, direkte Linien von New Orleans nach San Franzisco einzurichten.
Kester lächelte und zuckte die Achseln. Mr. Robichaux müsse sich selber ausrechnen können, daß er es sich vermutlich nicht werde leisten können, zu einer Ausstellung zu reisen, sagte er. Er müsse jetzt alle Kraft aufwenden und sich um seine Plantagen kümmern. Ja, und das sei ja nun eigentlich der Grund, warum er hier sitze. Man müsse einmal über die Hypotheken sprechen. Mr. Robichaux' Bank war so freundlich, sie bisher weiter auf Ardeith stehen zu lassen.
»Ja, hm ja, allerdings«, sagte Mr. Robichaux. Sie hatten gesellig und liebenswürdig miteinander geplaudert, und nun hatten sie eben das Thema gewechselt; an der Form der Unterhaltung änderte das nichts. Mr. Robichaux blieb liebenswürdig wie bisher, er sprach über die Hypotheken wie über irgendeine belanglose Angelegenheit zwischen Freunden, völlig anders, als er gestern mit Eleanor diskutiert hatte. Kester erklärte, er habe zahllose Änderungen in der Führung von Ardeith geplant. Er habe diese Dinge wegen seiner Heirat und der Geburt des Kindes nur etwas zurückstellen müssen. Er beugte sich etwas zu seinem Zuhörer hinüber und begann flüssig und mit erstaunlicher Präzision seine Ideen zu entwickeln.
Zu Eleanors grenzenlosem Erstaunen begann er Pläne zu umreißen, von denen sie nie auch nur andeutungsweise gehört hatte. Das ganze Arbeitssystem auf Ardeith würde einer grundsätzlichen Wandlung unterzogen werden. Er beschrieb kühl und sachlich die Bodenverfassung und die Möglichkeiten, die sie für eine intensive Kultivierung bot. Es ging da um wissenschaftliche Verbesserungen, wie sie seitens des Landwirtschaftsministeriums vorgeschlagen
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