Lullaby (DE)
in Brand steckt. Irgendwer wird die Polizei holen.
Und ich sage, er bilde sich was ein.
Die kleine Fackel wird immer größer.
Der Wirt sieht zu uns rüber, sieht Nashs kleine Zündschnur immer kürzer werden.
Nash sieht einfach zu, wie das Feuer in seiner Hand außer Kontrolle gerät.
Ich spüre die Hitze an den Lippen, den Rauch in den Augen.
Der Wirt schreit: »He! Lass den Scheiß!«
Und Nash bewegt die brennende Serviette auf das Wachspapier und den Pappteller zu.
Und ich packe ihn am Handgelenk – der Uniformärmel ist gelb mit Senf beschmiert, die Haut darunter lose und weich – und sage: Okay. Ich sage, Schluss damit, okay?
Ich sage, er muss mir versprechen, dass er das keinem weitererzählt.
Und während die Zündschnur zwischen uns abbrennt, sagt Nash: »Klar.« Er sagt: »Versprochen.«
17
Helen nähert sich mit einem Weinglas in der Hand, das Glas ist fast leer, nur ganz unten schimmert noch etwas Rotes.
Und Mona sagt: »Wo haben Sie das her?«
»Den Wein?«, sagt Helen. Sie trägt einen dicken Mantel aus Fellen in verschiedenen Brauntönen, die weiße Tupfer an den Spitzen haben. Er ist vorne offen und lässt ihr pulverblaues Kostüm darunter sehen. Sie trinkt aus und sagt: »Den hab ich von der Bar. Da hinten, neben der Schale mit Orangen und dieser kleinen Messingstatue.«
Und Mona wühlt beide Hände in ihre roten und schwarzen Dreadlocks und massiert sich das Schädeldach. Sie sagt: »Das ist der Altar .« Sie zeigt auf das leere Glas und sagt: »Sie haben gerade mein Opfer an die Göttin getrunken.«
Helen drückt Mona das leere Glas in die Hand und sagt: »Nun, wie wär’s, wenn Sie der Göttin ein weiteres Opfer bringen würden, aber diesmal einen doppelten.«
Wir sind in Monas Wohnung; alle Möbel sind auf die kleine Terrasse hinter der gläsernen Schiebetür hinausgerückt und mit blauen Plastikplanen zugedeckt worden. Zurückgeblieben ist nur das leere Wohnzimmer, von dem ein kleines Zimmer abzweigt, in dem sich die Essecke befinden sollte. Die Wände und der Zottelteppich sind beige. Die Schale mit Orangen und die Messingstatue irgendeines tanzenden Hindugottes stehen auf dem Kaminsims, dazwischen sind gelbe Gänseblümchen und rosa Nelken verstreut. Die Lichtschalter sind mit Klebeband überklebt, sodass man sie nicht benutzen kann. Stattdessen hat Mona ein paar flache Steine auf dem Boden ausgelegt; darauf stehen Kerzen, lila und weiße Kerzen, einige angezündet, andere nicht. Im Kamin brennen statt eines Feuers auch noch ein paar Kerzen. Weiße Rauchfäden steigen von den kleinen braunen Weihrauchkegeln auf, die neben den Kerzen auf den flachen Steinen stehen.
Das einzige echte Licht leuchtet auf, wenn Mona den Kühlschrank oder die Mikrowelle aufmacht.
Durch die Wände dröhnt Pferdegewieher und Kanonenfeuer. Entweder versucht eine tapfere störrische Südstaatenschönheit die Unions-Armee davon abzuhalten, die Wohnung nebenan niederzubrennen, oder jemand hat den Fernseher zu laut aufgedreht.
Durch die Decke dringt eine Feuersirene und das Geschrei von Leuten, das wir ignorieren sollen. Dann Schüsse und quietschende Reifen, Geräusche, die wir für unbedeutend halten sollen. Sie besagen nichts. Es ist bloß Fernsehen. Eine Explosion wummert von oben durchs ganze Haus. Eine Frau bettelt jemanden an, sie nicht zu vergewaltigen. Das ist nicht echt. Das ist bloß ein Film. Wir sind die Generation, die dauernd blinden Alarm schlägt.
Dramasüchtige. Phobiker des Friedens.
Mona nimmt mit ihren schwarzen Fingernägeln das Weinglas, das am Rand mit Helens rosa Lippenstift beschmiert ist, und schreitet in ihrem weißen Frotteebademantel barfuß zur Küche.
Es klingelt an der Tür.
Mona kommt durchs Wohnzimmer zurück. Sie stellt ein Glas Rotwein auf den Kamin und sagt: »Bringen Sie mich nicht vor meinem Hexensabbat in Verlegenheit.« Dann öffnet sie die Wohnungstür.
Auf der Schwelle steht eine kleine Frau. Sie hat eine Brille mit dicken schwarzen Plastikrahmen auf. Sie trägt Backofenhandschuhe und hält eine zugedeckte Kasserolle in den Händen.
Ich habe eine Schachtel mit Dreibohnensalat aus einem Straßenverkaufsimbiss mitgebracht. Helen hat Pasta aus dem Chez Chef mitgebracht.
Die Brillenfrau kratzt mit ihren Clogs auf der Fußmatte herum. Sie sieht Helen und mich an und sagt: »Mulberry, du hast Gäste.«
Und Mona presst sich einen Handballen an die Schläfe und sagt: »Damit meint sie mich. Das ist mein Wiccan-Name, meine ich. Mulberry.« Sie sagt:
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