Lust kennt kein Tabu
würde ich immer wieder zurücklaufen. Als ich zum ersten Mal mit Brock gevögelt habe, glaubte ich, in mir wäre endlich irgendwas erwacht. Jemanden zu finden, mit dem man sexuell total übereinstimmt, das kommt nur selten vor. Und sobald man es einmal erlebt hat, will man es immer wieder.“
Nachdenklich hörte Zienna zu und bezweifelte, dass dies auch für siegalt. Mit Nicholas hatte sie großartigen Sex genossen. Welche Rolle spielte es schon, wenn Wendell im Bett etwas besser war? Sicher wurde sie nicht nur von ihrer Libido motiviert.
Oder?
Nein, da musste es noch mehr geben. Und nach einem langen Schweigen verstand sie endlich, worum es ging.
„Aaah, jetzt weiß ich, worauf es ankommt“, verkündete sie, maßlos erleichtert, nachdem sie diese bedeutsame Erkenntnis gewonnen hatte. „Es hängt mit der Art zusammen, wie Wendell verschwunden ist. Mit ungeklärten Gefühlen. Zumindest auf meiner Seite. Er hat sich gar nicht richtig verabschiedet und nur gesagt, er müsse gehen. Sonst nichts. Das hat mich tief enttäuscht. Wie verrückt ich nach ihm war, weißt du ja.“
„Nach seinem Schwanz“, ergänzte Alexis und kicherte – vermutlich, um die Stimmung etwas aufzulockern.
Zienna warf ihr einen missbilligenden Blick zu. „Was ich damit sagen will – die letzte Nacht war der letzte Akt unseres Dramas.“
„Wenn du’s so nennen willst …“
Ärgerlich runzelte Zienna die Stirn. „Also meinst du, nur der Sexualtrieb wäre wichtig, nicht der seelische Einklang zwischen einem Mann und einer Frau? Haben sich deine Ansichten über die Liebe nach deiner Trennung von Elliott plötzlich geändert?“
Alexis senkte die Wimpern. Als sie wieder aufblickte, sah Zienna einen dunklen Schatten in den Augen ihrer Freundin.
„Das habe ich dir noch nicht erzählt, Zee. An dem Abend, als ich Brock kennengelernt habe …“
„Ja?“
„Bevor ich mit dir ausgegangen bin, habe ich mit Elliott telefoniert. Da gestand er mir, dass er mich schon seit Monaten vor der Trennung betrogen hatte. Er glaubte, ich hätte es irgendwie herausgefunden und deshalb Schluss gemacht.“
„Was?“, rief Zienna konsterniert.
„Ja. Mein netter, guter Typ. Obwohl ich geschworen hätte, er würde mir stets die Treue halten. Er behauptete, wegen dieser Liaison wäre ihm klar geworden, dass er nur mich wollte – ein schwacher Trost …“
Beinahe brach Alexis’ Stimme. Es war offensichtlich, wie nahe ihr Elliotts Affäre immer noch ging, obwohl sie schon lange kein Paar mehr waren.
Nun verstand Zienna, wieso ihre Freundin sich an jenem Samstagabend im Club so betrunken hatte. „Warum hast du mir das nicht früher erzählt?“, flüsterte sie erschüttert.
„Keine Ahnung. Ich war schockiert. Gedemütigt … Damals konnte ich nicht damit umgehen. Da wusste ich nur eins – ich musste ausgehen und jemand anderen kennenlernen.“
„Alex …“
„Nein, schau mich nicht so an. Ich finde Elliotts Geständnis okay. Dadurch wurde ich gezwungen, ernsthaft nachzudenken. Ich ging aus, traf Brock, und da merkte ich es: Sex kann eine stärkerer Antriebskraft haben als Liebe. Alles, was jetzt mit dir und mir geschieht … Ja, ich weiß, ich wiederhole mich wie eine angeknackste Schallplatte. Jedenfalls weiß ich, wir Frauen wollen uns ebenso wenig mit unbefriedigendem Sex begnügenwie die Männer. Gewiss, er ist nicht das Einzige. Aber er bedeutet sehr, sehr viel.“
Unschlüssig zuckte Zienna die Achseln. Auf dem College und im Lauf ihrer physiotherapeutischen Arbeit hatte sie mit zahlreichen Männern diskutiert und gegen deren Ansicht protestiert, Sex wäre die wichtigste Komponente einer Beziehung. Nun wusste sie nicht, ob sie Alexis zustimmen sollte.
„Es geschah nicht nur aus Lust, dass ich mit Wendell ins Bett gehüpft bin. Es lag auch an meiner Wut auf Nicholas. Ich ärgerte mich über seine ungerechtfertigte Eifersucht, denn ich hatte geglaubt, solche Probleme hätten wir schon am Anfang unserer Beziehung gelöst. Ganz zu schweigen von meiner Enttäuschung über sein Desinteresse gestern Abend. Nur einen einzigen Blick, der mir bestätigt hätte, wie hinreißend ich aussah.“
„Den hat Wendell dir mehrmals zugeworfen.“
„Ja.“ Seufzend schüttelte Zienna den Kopf. „Blöd, nicht wahr? Alles, was wir uns wünschen, ist ein guter Kerl. Zumindest reden wir uns das ein. Wir sehnen uns nach einem netten, liebevollen, einfühlsamen Mann. Dann kriegen wir einen und fangen an, seine Defizite zu suchen.“
„Oder er bumst
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