Lynettes Erwachen
Unterdrückung, Schicksale, aber auch um Liebe. Aurelia hat ihr Vermögen nicht gemacht, indem sie die Mädchen wahllos verkaufte.“
„Du sprichst von Erpressung“, stellte Lynette sachlich fest. Elias antwortete nicht. Sie holte tief Luft und sagte einlenkend: „Dieses Geschäft ist so schmutzig, ich schätze, aus der Sicht der Huren ist Erpressung immer noch besser, als sich jedem Dahergelaufenen zu verkaufen.“
„Dafür war das Haus Toulouse zu teuer. Dort verkehrten die oberen Schichten, und da ist der Sumpf am größten. Nichtsdestotrotz hat Alissa dort Thomas Drake getroffen und die Liebe gefunden. Sie waren vierzig Jahre glücklich miteinander.“
Lynette lächelte vor sich hin.
„Was denkst du jetzt?“, fragte Elias.
„Dass das eine sehr romantische Geschichte ist. Ich möchte sie kennenlernen, und danach das Tagebuch lesen.“
Elias parkte den Wagen auf dem Hinterhof des Clubs und drehte sich zu ihr. „Woher weißt du, wie es ist, verstoßen zu werden?“ Er hielt ihre Hand fest, die zu zittern begann.
„Ich war vierzehn, als mein Vater mich verließ.“
„Und deine Mutter?“
„Sie hat sich im Alkohol ertränkt und mich gehasst. Immer, wenn sie mich ansah, konnte ich Abscheu in ihren Augen sehen.“
Elias nahm sie in die Arme und hielt sie fest. „Das tut mir leid, Schatz.“
„Das muss es nicht – nicht mehr. Diese Zeit war die Hölle, aber heute bin ich glücklich, also kann es nicht ganz schlecht gewesen sein. Durch dich sehe ich jetzt viele Dinge anders, die ich nicht verstehen konnte, weil ich davon nichts wusste. Ich weiß nur nicht, warum sie mich so sehr hasste, und deshalb will ich zu meinem Vater.“
„Und du glaubst, dann geht es dir besser?“ Lynette hörte Skepsis in Elias’ Stimme.
„Es geht mir bereits besser, weil ich beginne, ihr zu verzeihen. Sie war ein zutiefst unglücklicher Mensch. Niemand sollte so leben müssen. Ich habe beide gehasst, und das hat mich hart gemacht. Das will ich nicht mehr.“ Sie lachte trocken auf. „Hoffentlich werde ich im Gerichtssaal nicht irgendwann versuchen, die Geschworenen mit Tränen statt Argumenten zu beeinflussen.“
„Du bist eine brillante Anwältin. Das hat überhaupt nichts mit deinen Gefühlen zu tun. Du wirst sehen, sobald du den Gerichtssaal betrittst, wirst du umschalten wie ein Master.“
„Danke, du Master du!“
„Wofür?“
„Dafür, dass ich dir das alles erzählen kann und du zuhörst.“
„In dem Fall muss ich dir für das Vertrauen danken, das du mir schenkst.“
„Schluss mit der Gefühlsduselei. Geh Annette mit Buchhaltung quälen, und ich werde mir einen kleinen Bellini gönnen.“
Elias hob eine Augenbraue. „Du wirst inkonsequent!“
„Das Zeug schmeckt himmlisch, und einer wird mich nicht gleich umhauen.“
Hand in Hand betraten sie den Club und fanden es nicht im Geringsten lächerlich. Annette warf Lynette einen giftigen Blick zu. Am liebsten hätte Elias sie zusammengestaucht, doch Lynettes Hand begann plötzlich zu zittern. Verwundert sah er sie an. Nur wenige Gäste waren anwesend, saßen an den Tischen oder standen an der Bar. Lynette starrte einen Mann an, und ihr Körper schien zu beben. Elias kannte den Kerl nicht. Also musste er auf Einladung eines Mitglieds, das sich für ihn verbürgte, da sein.
„Was ist mit dir?“, fragte er besorgt.
Zweimal schluckte sie trocken, bevor sie sagte: „Das ist Vasili Romanow.“
„Und wer ist Vasili Romanow?“
Mit weit aufgerissenen Augen sah sie ihn entsetzt an. „Er ist ein Gott! Letztes Jahr habe ich ihn in der Royal gesehen.“
Das aufsteigende Lachen konnte er sich kaum verkneifen. „Du meinst, er trägt Strumpfhosen?“
Überaus erbost schlug sie ihm mit der flachen Hand auf den Oberarm. „Du Kulturbanause! Vasili Romanow ist der derzeit beste Tänzer der Welt und steht zehn Meter von mir entfernt. Ist das zu glauben?“
„Soll ich euch miteinander bekannt machen?“
„Um Gottes willen, nein. Ich wüsste nicht, was ich sagen soll. Ich setze mich in eine Ecke und beobachte ihn.“
Sich zu ihr beugend, raunte er gegen die zarte Haut des Halses: „Vielleicht darfst du ihm auf eines der Zimmer folgen und zusehen.“
„Du bist ein furchtbarer Mensch! Das würde den ganzen Zauber zerstören.“
Lächelnd hauchte er ihr einen Kuss auf den Hals. „Bleib anständig, während ich weg bin.“ Er trat einen Schritt zurück und sah sie mit ausgestreckter Hand streng an. „Gib mir den Blazer.“
„Wie bitte? Wohl
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