Macabros 120: Giftstachel des Skorpion-Dämons
eintrafen.
Weder für Jeanne noch für Desirée war dies ein
Problem.
Die Bistro-Inhaberin hatte diesen Tag schon vorgeplant und eine
Vertreterin eingearbeitet, die das Bistro übernahm, wenn Jeanne
sich für die komplette Tournee entschied.
Desirée Mallon war arbeitslos, zahlte mit dem Geld drei
Monate ihre Miete im voraus, packte ihre Koffer und fuhr zum
Flugplatz.
Die Maschine flog nach Spanien, Landung erfolgte in Malaga. Die
Formalitäten waren schnell erledigt.
Es war genau fünfzehn Uhr, als sie die Sperre passierten.
Um ihr Gepäck brauchten sie sich nicht zu kümmern, das
würde automatisch von einem Sonderbus gebracht.
Auch für sie selbst stand ein Bus bereit. Er brachte sie in
die Berge, wo ein einsames Hotel stand. Dort wollte man in aller Ruhe
über Einzelheiten mit ihnen sprechen, und dort sollten sie dem
Vernehmen nach auch auf Monsieur Vesner treffen, der vorausgefahren
war.
Insgesamt waren es vierundzwanzig gutgewachsene junge Damen, die
dem Ruf des Managers gefolgt waren. Sie entsprachen alle einem Typ:
Groß, langbeinig, charmant.
Die meisten waren in bester Stimmung, nur einige wirkten sehr
ruhig und nachdenklich. Und die Anzahl derer, die plötzlich
Gewissensbisse bekamen, wuchs, als sie das einsame Hotel
erreichten.
Das Gebäude war alt, die Fassade verwittert, die Beschriftung
›Hotel‹ und ›Habitationes‹ war nur noch zu ahnen,
denn zu sehen.
Die Stimmung, die vorhin noch voll Begeisterung und Frohsinn war,
sank beträchtlich.
»Das ist doch kein Hotel, sondern eine bessere
Herberge«, meinte eine Blondine mit kecker
Pferdeschwanzfrisur.
»Durch die hohen Vorauszahlungen für die Gruppe
müssen sie irgendwo sparen«, warf eine andere ein und
meinte es sogar ernst. »Vielleicht ist das Ganze nur für
eine Nacht… Es ging ja alles sehr schnell.«
Doch gerade daran, daß alles so schnell gegangen war, fingen
plötzlich die meisten an, sich zu stoßen.
Was ihnen vorher gleichgültig war, bekam angesichts dieses
›Hotels‹ plötzlich Bedeutung.
Ging wirklich alles mit rechten Dingen zu? Oder hatte man sie nur
von zu Hause weggelockt?
Eine Entführung im großen Stil?
Woran sie vorher nie gedacht hatten, kam ihnen nun zu
Bewußtsein.
Man las es immer wieder: Menschenhandel kam auch heute noch vor.
Junge Mädchen wurden nach Afrika und Arabien geschmuggelt und
verschwanden in zwielichtigen Vergnügungsetablissements. Man
hörte nie wieder von ihnen, denn man nahm ihnen nach der
Einreise kurzerhand die Ausweise weg, und ohne Papiere konnten sie
das Land, in das sie verschleppt wurden, nicht verlassen.
»Auch unsere Pässe hat man eingezogen«, meinte eine
Teilnehmerin kleinlaut, als sie das Hotel betraten.
Im Vorraum standen kleine Tische und abgewetzte alte
Polstermöbel. Eine braungestrichene Holztreppe führte
leicht gewendelt in die oberen Etagen. Über mehr Stockwerke
verfügte das Haus nicht. Es gab auch keinen Aufzug.
Das Hotel gehörte einem alten Ehepaar, das sich sehr um sie
bemühte. Vesners Sekretärin, die Reisebegleiterin, traf
wenig später mit einem Taxi ein. Sie hatte auf dem Flugplatz
noch einige Formalitäten erledigt. Sie wurde mit Fragen und auch
mit etlichen Vorwürfen empfangen.
Maurice Vesners Sekretärin zeigte Verständnis für
die Aufregung und entschuldigte das Vorkommnis.
»Leider war es uns nicht mehr möglich, in der Eile ein
besseres Haus zu mieten«, erklärte sie. »Wir bedauern
sehr, Sie hier unterbringen zu müssen. Doch es ist nur für
eine Nacht. In Tangar – wir werden morgen nach dem
Frühstück dorthin fliegen – erwartet Sie ein Haus der
Spitzenklasse.«
Ihre ruhigen Worte, ihre charmante Art überzeugte die
meisten, aber nicht alle.
»Und was ist mit unseren Pässen?« meldete sich eine
Zweiflerin zu Wort. »Warum hat man sie uns abgenommen?«
»Abgenommen?« empörte sich die Sekretärin
Maurice Vesners. »Ich habe sie eingesammelt um damit den Ablauf
der Formalitäten auf ihr Minimum zu beschränken.« Ihre
Stimme klang schärfer. »Dies, meine Damen – geschah in
Ihrem eigenen Interesse! Der Tag war anstrengend für Sie –
wie für uns. Wir mußten in kurzer Zeit viel erledigen.
Warum sollte ich Sie also noch mit den Unannehmlichkeiten der
Abfertigung belasten, wenn wir es pauschal über die Bühne
bringen konnten?« Sie legte eine Sprechpause ein und blickte in
die Runde. »Wenn Sie irgendwelche Zweifel an der Seriosität
unseres Unternehmens haben, ziehen Sie bitte die Konsequenzen daraus.
Sie können umgehend zum
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