MacBest
Jammertal gegeben, und bei den Göttern – wenn du mich jetzt verärgerst, gebe ich dir auch die letzte.«
Der Speer löste sich aus den vor Furcht zitternden Fingern des Mannes und fiel mit einem dumpfen Pochen zu Boden. Oma hob die Hand und klopfte dem Soldaten beruhigend auf die Schulter.
»Sei unbesorgt«, sagte sie. »Hier, nimm einen Apfel!«
Oma Wetterwachs wollte durchs Tor schreiten, aber eine zweite Lanze versperrte ihr den Weg. Interessiert hob sie den Blick.
Der andere Wächter stammte nicht aus den Spitzhornbergen. Er war ein in den Städten aufgewachsener Söldner, und man bezahlte ihn dafür, die während der letzten Jahre zusammengeschrumpfte Schloßwache zu verstärken. Sein Gesicht präsentierte sich als ein Flickwerk aus Narben.
Einige dieser Narben gerieten nun in Bewegung und formten etwas, das wie ein höhnisches Grinsen aussah.
»Das ist also Hexenmagie, wie?« knurrte er. »Ziemlich armselig, wenn du mich fragst. Vielleicht erschreckst du damit einfältige Bauerntölpel, Weib, aber mich nicht.«
»Vermutlich muß man sich sehr anstrengen, um einen so großen und starken Mann wie dich zu erschrecken.« Oma Wetterwachs tastete nach ihrem Hut.
»Versuch bloß nicht, mir Angst einzujagen!« Der Wächter blickte starr geradeaus und wippte langsam auf den Zehen. »Alte Frauen wie du, die ihre Späßchen mit Leuten treiben. Das gehört sich nicht.«
»Wie du meinst.« Oma Wetterwachs stieß den Speer beiseite.
»Hör mal, ich habe gesagt …«, begann der Söldner und packte Oma an der Schulter. Ihre Hand bewegte sich so schnell, daß sie sich überhaupt nicht zu bewegen schien, doch plötzlich stöhnte der Wächter und griff nach seinem Arm.
Oma Wetterwachs schob die lange Nadel in den Hut zurück und lief los.
»Wir fangen mit dem Zeigen der Geräte an«, verkündete die Herzogin voller Vorfreude.
»Ich kenne sie schon«, erwiderte Nanny. »Zumindest alle, die mit S, P, I, T und W anfangen.«
»Mal sehen, wie lange du den Plauderton beibehalten kannst. Bereite das Feuer im Ofen vor, Felmet!« befahl sie.
»Bereite das Feuer im Ofen vor, Narr«, sagte der Herzog.
Der Narr schlurfte betont langsam. Mit so etwas hatte er nicht gerechnet; die Folter fehlte in seiner geistigen Tagesordnung. Das kaltblütige Quälen älterer Damen war ganz und gar nicht sein Bier, und wenn man Hexen tatsächlich ein Leid zufügte – die Temperatur des Blutes spielte dabei keine Rolle –, so ergaben sich daraus nicht die Freuden, die man bei einem Bankett mit zwölf Gängen erwarten durfte. Worte, hatte er gesagt. In diesem Fall schienen ihnen auch Taten zu folgen.
»Die Sache gefällt mir nicht«, murmelte der Narr leise.
»Gut«, sagte Nanny Ogg, die ausgezeichnet hörte. »Ich werde daran denken, daß dir die Sache nicht gefällt.«
»Was?« fragte der Herzog scharf.
»Nichts«, antwortete Nanny. »Dauert’s lange? Ich habe noch nicht gefrühstückt.«
Der Narr entzündete ein Streichholz. In der Luft neben ihm flüsterte etwas, und die Flamme erlosch. Er fluchte lautlos und versuchte es mit einem zweiten. Seine zitternde Hand trug es bis zum Ofen, bevor es ebenfalls ausging.
»Beeil dich, Mann!« drängte die Herzogin und legte die einzelnen Werkzeuge zurecht.
»Die Dinger wollen offenbar nicht brennen«, brummte der Narr und griff nach einem dritten Streichholz. Es zischte laut, eine kleine Flamme loderte, flackerte trotzig und erlosch wie die ersten beiden.
Lord Felmet riß ihm die Schachtel aus den bebenden Fingern und versetzte ihm eine Ohrfeige. Mehrere Ringe hinterließen deutlich sichtbare Muster in der Wange des Narren.
»Wird denn keinem meiner Befehle Folge geleistet?« ereiferte er sich. »Unentschlossener Idiot! Willensschwacher Trottel! Her mit der Schachtel!«
»Meiner Treu, du hast sie bereits«, brachte der Narr hervor und wich zurück. Jemand, den er nicht sehen konnte, hauchte ihm etwas Unverständliches ins Ohr.
»Geh nach draußen!« zischte der Herzog. »Sorg dafür, daß wir nicht gestört werden!«
Der Narr stolperte über die unterste Stufe, drehte sich um, warf Nanny Ogg noch einen letzten flehentlichen Blick zu und hastete durch die Tür. Er hüpfte ein wenig, aus reiner Angewohnheit.
»Das Feuer ist nicht unbedingt notwendig«, sagte die Herzogin. »Es erleichtert nur das Verhör. Nun, Frau, willst du jetzt alles gestehen?«
»Was denn?« fragte Nanny.
»Ist doch allgemein bekannt: Verrat; boshafte Hexerei; Unterstützung der Feinde des Königs;
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