macht weiter
Tor und mustert jeden, der herauskommt.«
»Aber sie werden gleich zusperren!« rief Hafez. »Was machen wir bloß? Wohin sollen wir gehen?«
Mrs. Pollifax suchte verzweifelt den Hof ab, aber die Burg war im Hinblick auf Angriffe erbaut worden. Daher hatte sie nur einen Zugang, und die wenigen Geheimtüren waren nach Angabe des Fremdenführers längst zugemauert worden. Es gab nur einen einzigen Eingang für Besucher.
»Wenn wir nicht hinauskönnen, müssen wir zurück«, entschied sie, faßte Hafez an der Hand und eilte mit ihm über den Hof und die Holztreppe zur Zugbrücke. Ein Wächter rief ihnen nach. »Wir haben unsere Regenmäntel liegenlassen!« rief Mrs. Pollifax zurück.
»Sperrstunde!« rief der Wächter.
»Regenmäntel!« schrie Hafez, und sie stürmten weiter, bis sie den Festsaal erreicht hatten. Dort blieben sie stehen. Rundum herrschte Stille. Ein schräger Strahl der Nachmittagssonne fiel in die Mitte des Saales. »Die Truhen!« sagte Mrs. Pollifax außer Atem. »Das ist der Raum mit den zwei Truhen. Du mußt hineinklettern, Hafez.«
»Gemacht - aber was dann?«
»Wenn alle weg sind, versuchen wir's noch mal.« Sie stieg in die zweite Truhe.
Das Versteck war nicht angenehm. Der Modergeruch war kaum zu ertragen, und es war eng wie in einem Sarg. Trotzdem war sie bald sehr dankbar für diesen Unterschlupf, denn etwa zehn Minuten später kam ein Aufseher. Pfeifend schloß er die Fenster. Dann setzte er seinen Rundgang fort. Zum Glück war von Fouad, der im Nebenraum lag, nichts zu hören, und bald verhallten auch die Schritte.
Eine knappe halbe Stunde später wurden Stimmen laut. Mrs. Pollifax öffnete ihre Truhe, um besser verstehen zu können, was gesprochen wurde. »Aber ich kann Sie nicht weitergehen lassen, Monsieur. Sie sehen doch, die Burg ist leer und bereits zugesperrt. Ich habe selbst den Rundgang gemacht. Es ist niemand mehr da.«
Es war Sabry, der jetzt antwortete, aber seine Worte konnte sie nicht verstehen. Ungeduldig sagte der Aufseher:
»Das kommt gar nicht in Frage, Monsieur. Wir haben unsere Vorschriften. Ich darf Sie nicht nach oben lassen. Die Burg ist schon geschlossen.« Eine Tür fiel zu. Dann herrschte Stille.
Der Aufenthalt im Versteck wurde drückend. Mrs. Pollifax schloß die Augen, öffnete sie und schloß sie wieder. Der Modergeruc h schien nachzulassen, die Wärme machte sie schläfrig. Eine Fliege surrte und stieß unermüdlich gegen die Fensterscheiben...
Mrs. Pollifax wurde plötzlich wieder hellwach und stieß die Truhe auf. Es war noch Tag. Ihre Uhr zeigte fünfzehn Minuten nach sechs. Das darf nicht wieder vorkommen, dachte sie und kletterte aus der Truhe, um Hafez zu wecken. Er spielte gerade mit einer winzigen Taschenlampe. »Was hast du denn alles dabei?« fragte sie.
Er stand auf und zeigte ihr seine sämtlichen Schätze: ein Taschenmesser, einen Kassettenrecorder, ein Wiener Schnitzel, eingewickelt in eine Papierserviette. »Dann nimm auch gleich Fouads Revolver«, schlug sie vor. »Ich trage den Koffer. Sehen wir uns mal um.«
»Ob die wirklich glauben, daß wir nicht mehr hier sind, Madame?«
»Nein, aber vielleicht sind sie für kurze Zeit fortgegangen. Sie haben den Scheich schon einmal um Rat gefragt, vielleicht tun sie es noch einmal.«
Hafez kletterte aus der Truhe und steckte den Revolver ein. Auf Zehenspitzen schlichen sie durch die kühlen, hohen Räume zur Treppe, über die sie gekommen waren. Doch jetzt versperrte ihnen eine Tür den Weg. Mrs. Pollifax rüttelte an der Klinke; vergebens. Sie tastete das Holz ab, aber es war eine feste, dicke Tür mit einem alten Schloß. »Sie muß von draußen abgeschlossen sein, Madame«, flüsterte Hafez. »Oder vielleicht liegt auf der anderen Seite eine Querstange vor?«
Eine böse Ahnung beschlich Mrs. Pollifax. Diese Tür könnte zur Falle werden. Sie überlegte, an wie vielen Türen sie wohl vorbeigegangen sein mochten, ohne sie beachtet zu haben. Sie eilten zum Ausgang, aber auch hier war nicht weiterzukommen.
»Was nun?« sagte Mrs. Pollifax.
Hafez sah sie fragend an. »Sind wir eingesperrt, Madame?«
»Ja.« Ihr Ja schien durch die leeren Gänge und die Flucht der leeren Räume zu hallen. Leider war die Burg nicht völlig menschenleer. »Fouad!« sagte sie erschrocken.
Sie machten kehrt und liefen zu der Truhe zurück, in der sie ihn zurückgelassen hatten. Hafez hob den Deckel und sagte aufatmend: »Er ist noch da, Madame, Allah sei Dank!«
Er atmete schwer, lag mit angezogenen Knien auf dem Rücken, und
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