MacTiger - Ein Highlander auf Samtpfoten
Kapitel war abgeschlossen. Ich verbannte den immer noch leise bohrenden Schmerz aus meinem Gedächtnis. Peter hatte sich mit Saskia verlobt, und damit Schluss und Ende.
Erstaunlicherweise verschwand der Schmerz wirklich, als ich meinen Blick über die braune Moorlandschaft schweifen ließ. Herb war das Land, aber ehrlich. Ein paar Krähen stiegen mit rauem Krächzen auf, hoch oben zog ein Raubvogel seine Kreise auf der Suche nach Beute.
Der Pfad führte mich durch blühende Wiesen. Ein alter Steinwall, überwachsen mit zähen Brombeerranken und frischem Blattwerk, begleitete mich ein Stück. Büsche, die ich nicht kannte, strömten über von kleinen weißen Blüten und gaben der Luft eine unbeschreibliche Süße. Hinweisschilder jedoch warnten davor, den Weg zu verlassen, denn das saftiggrüne Gras bedeckte ein tückisches Moor.
Nach der nächsten Biegung erblickte ich es dann: Blair Rath Castle - oder das, was es inzwischen war, nämlich eigentlich nur ein Haufen grauer Steine und einige Mauerreste, die in bizarren Formen in den blauen Himmel ragten. Alles war überwuchert mit Rankgewächsen, Gras, kleinem Gesträuch, Moosen und Flechten. Dazwischen hatten sich auch ein paar Vogelbeerbäumchen und Holunderbüsche angesiedelt.
Ich erreichte die Ruine und kletterte ein paar Steine hinauf. Oben bildete sich eine Nische, vielleicht einst ein Fenster, und ich setzte mich in diesen sonnenwarmen Platz, um die Reste des alten Schlosses auf mich wirken zu lassen. Es war angenehm windgeschützt und ruhig. Eine Heckenrose zu meinen Füßen entfaltete gerade ihre ersten rosigen Knospen, wilder Thymian duftete zwischen den zerfallenen Mauern, ein paar unglaublich blaue Falter tändelten über den moosigen Steinen. Hoch droben spannte sich der Himmel wolkenlos bis zu den Gipfeln der Felsen. Ich lehnte mich zurück an die warme Wand und dankte dem Schicksal dafür, endlich einmal ausruhen zu können und nicht mit dem Bus von irgendeiner Sehenswürdigkeit zur nächsten geschaukelt zu werden. Bienen summten, eine Lerche sang, ein Kaninchen hoppelte durch das Mauerrund unter meinen Füßen und verschwand in einem schattigen Loch. Ein junger Mann in braunem Kilt lehnte regungslos an dem Tor, die Augen sehnsuchtsvoll in die Ferne gerichtet. Ein schöner junger Mann, ein klar geschnittenes Gesicht, lange, dunkle Locken, in denen der leichte Wind spielte. Ich folgte seinem Blick, und dann sah ich sie, auf die er gewartet hatte. In ihrem langen, flatternden Wollrock schien sie über das Moor zu schweben, ihre Zöpfe schimmerten wie Stränge aus Gold, zart geformt ihre Züge, die Haut fast durchsichtig. Ihre Augen wirkten beinahe übergroß, und sie strahlten helles Glück aus. Sie streckte die Hände nach dem Jüngling aus, er stieß sich von dem Tor ab und lief ihr entgegen.
Das Kaninchen hoppelte zurück und blieb, mit zitternder Nase witternd, einige Meter von mir entfernt auf den Hinterbeinen sitzen.
Die beiden Menschen waren verschwunden. Waren vermutlich nie da gewesen. Und doch schien mir ein Abglanz ihres Glücks weiter über dem stillen Platz zu liegen. Ich merkte, wie sich ein glückliches Lächeln über mein Gesicht zog. Wie üblich war wieder meine Fantasie mit mir durchgegangen. Das geschah leider viel zu oft, und dann passierte es schon mal, dass ich Geister sah.
Eine Windböe ließ die Blätter aufrauschen, und ein mächtiger schwarzer Schatten schob sich vor die Sonne. Ich fröstelte mit einem Mal und stand auf. Es würde besser sein, zurückzugehen, bevor mich ein weiterer Platzregen durchweichte.
Auf dem Rückweg blies mir ein frischer Wind in den Rücken, und ich war froh, die Jacke dabeizuhaben. Aber von einem Regenguss blieb ich zum Glück verschont, der setzte erst ein, als ich wieder in meinem Zimmer war und in Rock und Bluse schlüpfte, um Tante Henriettas Siechenlager aufzusuchen.
Ich traf sie anscheinend beim Lösen eines Kreuzworträtsels im Bett sitzend an. Wieder steckte sie verstohlen ein Papier zwischen die Seiten der Zeitschrift. Einen Brief? Tante Henrietta ist nicht übertrieben vertrauensselig, aber sehr geradeheraus und offen. Diese kleine Geheimniskrämerei fand ich insgeheim belustigend. Sie hatte sonst so wenige Schwächen.
»Ach, du lässt dich auch mal wieder blicken?«
»Ich hatte heute Morgen den Eindruck, du wolltest nicht gestört werden, Tante Henrietta.«
»Zwischen Stören und Vernachlässigen liegt ein gewaltiger Unterschied.«
»Ja, Tante Henrietta.«
»Wo hast du dich
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