Madame Fabienne
sie erneut bei der kleinen Bäckerei vorbeikamen, hatte der Laden schon geschlossen. Inzwischen war es auch ganz Nacht geworden, und die Laternen warfen ihren fahlen Schein auf die geparkten Autos. Es war so still, dass man ihre Schritte auf dem Gehsteig hörte.
Als sie wieder im Bungalow waren, betrachtete sich Fabienne in dem kleinen Wandspiegel, der in der Diele hing. Ihre braunen Augen sahen nun besser aus, und auch ihr Gesicht hatte wieder mehr Farbe bekommen. Aber sie konnte spüren, dass es ihr immer noch an Kraft fehlte.
Véronique stand bei einem der Fenster und lugte hinterm Vorhang nach draußen. Sie sprach leise, "Für einen Moment habe ich gedacht, das rote Auto sei Hasans Porsche."
"Er ist bestimmt hinter uns her."
"Das kann sein. Aber wir brauchen auch nur noch wenig Zeit, dann können wir hier verduften. Das heißt, wenn Vacaro uns das Geld gibt. Was machen wir, wenn er's nicht tut?"
Das war natürlich eine gute Frage. "Eigentlich sollte er vom alten Gaston wissen, dass man uns bezahlt."
"Und wenn er versucht, uns auszutricksen?"
"Das könnte schon sein. Wir müssen uns dafür einen Plan ausdenken, nur für den Notfall." Wie sie das alles anekelte. Sie ging ins Bad und ließ Wasser ins Waschbecken laufen, dabei betrachtete sie sich im Spiegel. Wie diese Stadt sie fertig machte und wie gerne wäre sie mal wieder einen Abend allein.
Sie brauchte einfach eine Pause, um sich zu erholen. Sie könnten nicht ewig hier bleiben und sich verstecken, das würde früher oder später schief gehen. Dieser Hasan war hinter ihnen her und wahrscheinlich auch der alte Gaston, besonders wenn er erfahren würde, was sie mit diesem Didier gemacht hatten.
Sie müssten raus aus dieser Stadt, aber sie brauchten auch das Geld.
*
Als Jean Claude aufwachte, lag er im Wohnzimmer auf dem Boden. Was machte er denn hier? Natürlich, als er nach Hause gekommen war, hatte der Schlaf ihn überrumpelt. Er war so schwach gewesen, dass er es nicht mehr geschafft hatte, ins Bett zu kommen. Wie lange war er hier wohl gelegen? Bestimmt zwei Stunden, denn draußen brach schon die Nacht an.
War da etwas?
Er richtete sich ein Stück weit auf und lauschte: Für einen Moment hatte er den Eindruck gehabt, da hätte sich etwas bewegt. War etwa sonst noch jemand in seiner Wohnung? So leise wie möglich kam er auf die Beine und stellte sich mit dem Rücken gegen die Wand. Durch die Fenster fiel der Schein der Laternen, und man konnte so noch die Umrisse der Möbel erkennen. Da war wieder etwas, ein feines Geräusch.
Mit was könnte er sich wehren? Vielleicht mit dem Besen, der in der Küche stand.
Nun konnte er spüren, wie etwas sein Gesicht berührte. Es war ein Lufthauch. Er schlich in den Flur und hielt wieder inne. Auch hier war es so dunkel, dass er nicht alles erkennen konnte, aber die Eingangstür war offenbar geschlossen. Er huschte ein Stück weiter und sah sich in dem langen Wandspiegel. Was ihm dabei gleich auffiel, war sein Gesicht, weil es so angespannt war.
Man hörte nun ein feines Geräusch, das aus dem Bad kam.
Er schlich in die Küche und holte sich den Besen. Es brauchte einen Moment, bis er den Holzstiel aus der Fassung gedreht hatte, aber jetzt hatte er wenigstes etwas, womit er zuschlagen könnte. Schon seltsam, was ihm da durch den Kopf ging. Vor ein paar Tagen war er noch an seinem Schreibtisch im Großraumbüro gesessen und hatte Frachtbriefe getippt— das kam ihm jetzt so vor, als liege diese Zeit schon hundert Jahre zurück.
Er schlich mit dem Besenstiel durch den Flur und stieß die Tür zum Bad damit ganz auf, aber sonst war niemand in dem kleinen Raum. Allerdings stand das alte Holzfenster offen, und wenn der Wind auffrischte, schwang der eine Flügel hin und her und erzeugte dieses Geräusch.
Wahrscheinlich hatte er sich also umsonst Sorgen gemacht, wahrscheinlich hatte er nur vergessen, das Fenster zu schließen. Aber sonst passierte ihm so was nicht. Ob jemand in der Wohnung gewesen war, während er geschlafen hatte? Könnte das sein?
Er trat ans Fenster und lugte nach unten in den Hinterhof: Es gab Stellen, die so finster waren, dass man sie nicht einsehen konnte. Dort könnte sich jemand verstecken, ohne dabei von hier oben entdeckt zu werden. Ob Vacaro hinter ihm her war? Zu was war dieser Mann wohl in der Lage? Was wäre, wenn der ihn angreifen würde?
Vielleicht übertrieb er jetzt doch ein bisschen, oder?
Eigentlich nicht. Wenn er sich die Sache mal recht überlegte, würde er Vacaro
Weitere Kostenlose Bücher