Madame Fabienne
doch so gut wie alles zutrauen. Ob der Mann schon erfahren hatte, was mit diesem Didier und seinem Kumpan passiert war? Nein, nein, das konnte der andere einfach nicht wissen. Für einen Moment sah er vor seinem geistigen Auge, wie er in diesem BMW saß und Vacaro sich mit ihm unterhielt.
Wie kalt die Augen des anderen gewesen waren.
Das war ihm jetzt noch genau in Erinnerung, schon seltsam. Was sollte er bloß machen? Abhauen? Vielleicht war das erst mal am besten. Hier wäre er doch ein leichtes Ziel; dass ihm das nicht früher eingefallen war...
Unten im Hof bewegte sich nun etwas— ob das eine Katze war? Er schloss das Fenster so leise wie möglich und ging zurück ins Wohnzimmer. Ob es stimmte, was Vacaro gesagt hatte? Dass dieser Gaston Roque-Maurel hinter ihm her war? Ach was, wahrscheinlich war das gelogen. Vacaro wollte ihm nur Angst einjagen, das sah diesem Mann doch ähnlich.
Er könnte für ein paar Tage in einem Hotel wohnen. Das würde zwar etwas kosten, aber es wäre auch sicherer als hier.
Jean Claude steckte sich das Geld ein, das er in der Wohnung hatte. Leider war es nur wenig. Er müsste also auf die Bank und etwas vom Automaten abheben. Darum würde er sich kümmern, sobald er hier fertig war. Er schlüpfte in sein Jackett und wollte noch ein paar Klamotten in eine Tasche packen, hielt dann aber inne: Er könnte später wieder herkommen, Hauptsache, er wäre jetzt erst mal aus der Schusslinie.
Wie still es war! Sonderbar, oder?
Er konnte doch spüren, dass hier irgendwas nicht stimmte. Da draußen lauerte jemand auf ihn, er müsste von hier verschwinden, und zwar gleich. Er verließ also die Wohnung und hastete durchs leere Treppenhaus nach unten, dabei kamen ihm seine Schritte auf den Stufen überlaut vor.
Als er die Haustür aufschloss, hielt er abrupt inne: Genau hier im Eingangsbereich hatten Didier und sein Kumpan ihm aufgelauert— das dürfte nicht noch mal passieren. Er spähte auf die nächtliche Straße, aber man konnte von hier nur einen Ausschnitt davon sehen: die geparkten Autos, die Wohnhäuser und die Laternen, die ihren fahlen Schein warfen.
Was jetzt?
Er könnte versuchen, hinten herum zu verschwinden, vielleicht ginge das. Er schloss also den Eingang wieder ab und hastete durch den Flur. Als er bei der Tür zum Hinterhof ankam, brauchte er einen Moment, um den richtigen Schüssel zu finden. Zuerst machte er nur einen Spalt weit auf und lugte nach draußen. Es war auffallend still, aber irgendwo bewegte sich noch etwas.
War das diese grau-weiße Katze, die auch tagsüber hier rumlief? Vielleicht.
Am Nachthimmel zogen helle Wolkenfelder, und es war immer noch milder als an den vorigen Tagen. Manchmal frischte auch der Wind auf, dann spürte er einzelne Regentropfen auf seinem Gesicht. Im dunklen Hof standen noch Pfützen, in denen der Schein einer Laterne glänzte.
Sollte er das Licht einschalten?
Lieber nicht. Er schloss wieder ab und schlich davon, so leise es ihm möglich war. Als er auf die Straße kam, blieb er stehen und sah sich um. Ein Stück weiter war ein schwarzer BMW geparkt, in dem zwei Typen saßen; selbst aus der Distanz konnte er ihre Gesichter erkennen, die beiden gehörten zum Sicherheitsdienst.
Vacaro war also hinter ihm her und hatte etwas Schlimmes mit ihm vor, anders konnte es gar nicht sein. Er müsste hier weg, und zwar gleich.
Er drehte sich um und wollte weglaufen, zwang sich dann aber zu gehen. So würde er nicht auffallen, falls man seine Gestalt aus der Ferne erkennen könnte. Es fing nun an zu nieseln, und in der Höhe zogen Nebelschwaden.
Noch ein Stück, und er hätte es geschafft, oder?
Auf einmal blieb er abrupt stehen: Hier stimmte etwas nicht. Was war nur los? Natürlich, der bordeauxrote Citroën fehlte. Er konnte sich doch genau daran erinnern, dass der Wagen an dieser Stelle gestanden hatte. Jemand musste das Auto also inzwischen weggefahren haben. Aber wer war das wohl gewesen?
Als er weiter gehen wollte, trat eine Frau aus dem Schatten der Hauswand. Sie hatte ein asiatisches Gesicht und war ein Kopf kleiner als er, stand aber ganz gerade da. Ob sie Karate konnte? Irgendwie sah sie so aus. Ihre Haare waren lang und in der Mitte gescheitelt. Sie trug einen schwarzen Ledermantel und hatte beide Hände in den Taschen.
Ihr Blick ruhte auf ihm.
Jetzt fiel ihm auch auf, dass noch jemand da war, hinter ihm. Der andere war athletisch gebaut und hatte einen angegrauten Stoppelbart. Der Typ hielt ein Stück Abstand, aber die Frau
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