Madame Fabienne
es waren ja nur zwei Stockwerke. Er ging also die Treppe nach unten und ließ dabei eine Hand übers Geländer gleiten. Hier gab es nur ein gedämpftes Licht, und man hörte den Lärm von der Straße, hauptsächlich die Autos, die unten vorbeifuhren. Als er im Erdgeschoss ankam, sah die Frau an der Rezeption in seine Richtung; doch er mied ihren Blick, und sie hatte keine Zeit, sich weiter mit ihm zu befassen, weil ihr Telefon anfing zu klingeln.
Gut, dass er die Stufen benutzt hatte, denn Hector Leroux hatte sich in der Empfangshalle so gesetzt, dass er Eingang und Fahrstuhl im Auge behalten konnte. Er saß auf einem der beigen Sessel und blätterte durch eine Illustrierte, ein Mann vielleicht Ende fünfzig. Im Gesicht war er blass, und seine schlabbrigen Wangen hingen nach unten. Die braunen Haare hatten schon graue Strähnen und waren ein bisschen zu lang, auch sein Schnurrbart war zu dick und sah ungepflegt aus.
Didier blieb nun stehen: Noch hatte man ihn nicht bemerkt. Wie ihn dieser Mann anekelte, das hätte er jetzt nicht gedacht. Ob Hector wieder gesoffen hatte? Das müsste er ihm auf alle Fälle verbieten.
Die Glastür ging nun auf, und ein Pärchen kam herein, das eine Menge Gepäck bei sich hatte. Die beiden unterhielten sich und gingen zur Rezeption. Jetzt hatte Hector ihn bemerkt und beobachtete ihn. Also gut, da sie schon mal so weit waren... Didier holte noch mal tief Luft und schlenderte dann auf einem indirekten Weg zu der Sitzgruppe. Er beugte sich über den gläsernen Couchtisch und suchte sich eine der Zeitschriften aus, dabei konnte er Hectors Blick auf sich spüren.
Man konnte sehen, dass es Hector schlecht ging: Ob er wieder an er Flasche hing? Wahrscheinlich. Der alte Gaston hatte wohl auch nur an dem Kerl festgehalten, weil er nun mal für gewisse Dinge gut war. Didier setzte sich in einen der beigen Ledersessel und schlug ein Bein übers andere. Er blätterte in der Zeitschrift herum und tat so, als interessiere er sich für einen der Artikel, hielt dabei aber auch seine Umgebung im Auge.
Das helle Tageslicht fiel durch die Gardinen und warf ein Muster aufs Parkett. Hier und da standen kleine Palmen in Kübeln, und es gab auch einen Ständer mit Ansichtskarten. Bei dem Fahrstuhl ging nun die Tür auf, und eine Frau erschien, schlenderte aber gleich nach draußen. Offenbar nahm niemand von ihnen Notiz, alles schien doch in Ordnung zu sein.
Es hatte wohl keinen Wert, noch länger zu warten. Didier neigte sich ein Stück weit zu Hector, damit er leiser sprechen konnte: "Hallo, wie war die Fahrt?"
"Ich bin sofort gekommen. So schnell es ging."
Didier nickte. Auf Hectors Jackett gab es zwei Flecken, ob das Bier war? Er fing an zu flüstern, "Hast du wieder gesoffen?"
"Nein, wirklich nicht, Monsieur."
Hector log ihn an, natürlich. Aber was sollte man auch bei so einem Typen erwarten. Didier schwieg und blätterte weiter durch die Zeitschrift: Der andere konnte ruhig merken, dass er seine Lüge durchschaut hatte.
Hector sah nach links und rechts, aber die Leute an der Rezeption nahmen gar keine Notiz von ihnen. Er fing trotzdem an zu flüstern, "Es gibt hier einen Auftrag für mich, nicht wahr?!"
"Wenn du anfängst zu saufen, ist es vorbei."
"Ich bin trocken, ganz bestimmt."
Didier sah ihn wieder an, "Tatsächlich?"
"Naja", er fuchtelte mit beiden Händen durch die Luft, "fast."
"Und wie sieht es mit dem Zocken aus?"
Hector sprach ein bisschen lauter, "Hier kenne ich mich doch gar nicht aus. Nein, nein, hier spiele ich nicht."
Log der Kerl schon wieder? "Aber du hast doch hier schon mal einen Auftrag erledigt, oder?"
"Nicht direkt hier. In der Nähe, drüben in Mannheim."
Na also, jetzt kamen sie der Sache doch schon näher. "Gut", Didier sprach wieder ein wenig lauter, seine Stimme klang fest. "Du weißt, dass ich der neue Boss bin, ja?!"
Hectors Miene veränderte sich, sein Mund stand ein bisschen offen. "Monsieur Gaston geht es schlecht, nicht wahr?"
Natürlich, das wusste der doch. Der log doch schon wieder. "Ich geb dir einen Auftrag, damit kannst du dich bei mir bewähren, klar?"
Hector nickte mehrfach, seine dunklen Augen sahen wässrig aus. "Um was geht es denn?"
"Du erinnerst dich doch noch an die Sache in Nîmes, oder?"
"Mit... mit dieser Madame Fabienne?"
Ein Grinsen glitt Didier übers Gesicht. "Genau. Diese Madame Fabienne und ihre rothaarige Gefährtin. Ich möchte, dass du sie findest. Sie haben einen Auftrag für die Öl- & Reifenfabrik angenommen. Was es
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