Madame Fabienne
dem Boulevard Front de Mer treffen wollten, um die Lage zu besprechen. Als sie ankam, waren nur wenige andere Kunden da, und alles wirkte noch verschlafen. Sie und Véronique hatten sich gestritten, und nun wussten sie auch nicht, ob sie noch in Zukunft einen gemeinsamen Weg gehen würden.
Sie war zuerst da und saß allein an einem Tisch, als sich ein älterer Mann zu ihr gesellte. Er trug einen weißen Anzug, aber keine Krawatte dazu. Sein Hemd stand am Kragen offen, und er hatte ein rotes Tuch in der Brusttasche.
Was einem noch an ihm auffiel, waren seine Augen, die man so gut wie nicht sehen konnte, weil sie eine gestreckte Form hatten und weitgehend von den Lidern verdeckt wurden.
Für einen Moment dachte sie damals, dass der Mann sich vielleicht für sie interessiere, aber dann spürte sie auch wie kühl und sachlich der Fremde war. Nun kam auch Véronique ins Café und bemerkte offenbar, dass etwas nicht stimmte; denn sie kam nicht an ihren Tisch, sondern setzte sich auf einen der Barhocker an der Theke und beobachtete von dort aus, was geschah.
Der Fremde stellte sich ihr vor als Gaston Roque-Maurel, Sicherheitschef von B&M. Er spielte auf die Rechnung an, die einer seiner Mitarbeiter bezahlt hatte. Offenbar war der Mann gar kein Manager gewesen, sondern nur ein gewöhnlicher Angestellter. Und offenbar hatte dieser Gaston auch durchschaut, was wirklich geschehen war.
Aber der Mann drohte ihnen nicht mit der Polizei, sondern meinte, er respektiere sie. Er sprach extra leise, damit es sonst niemand hören konnte: "In dieser Welt gibt es Dinge, die man für unmöglich hält. Aber ich habe schon manches erlebt und bin deswegen gut informiert."
Schließlich fragte er, ob sie bereit wäre, Aufträge von ihm anzunehmen. Es würde sich auch finanziell lohnen, meinte er; dabei bekam seine Stimme einen heiteren Unterton. Aber sie hatte gleich geahnt, dass es nicht witzig war und ihr eigentlich keine andere Wahl blieb. Also hatte sie zugestimmt.
Seitdem waren sie und Véronique zusammen. Wie lange das jetzt schon her war...
Fabienne ging nun wieder nach draußen auf den Flur und lehnte sich mit beiden Händen aufs Geländer. Aus dem Salon fiel noch ein Streifen Licht, sonst blieb alles dunkel. Die Tür vom Bad ging nun auf, und Véronique erschien— irgendwas stimmte nicht, das konnte sie spüren. Fabienne zeigte auf sie, "Was ist los?"
"Ich habe ein bisschen telefoniert." Véronique sprach jetzt leise, "Man erzählt sich, der alte Gaston habe einen Unfall gehabt. Er sei auf der Treppe gestürzt und habe sich den Kopf aufgeschlagen. Eine Zeit lang sei er im Koma gelegen, aber jetzt wäre er wieder aufgewacht."
Fabienne fuhr sich mit einer Hand über den Mund: Wenn der alte Roque-Maurel so krank war, dann hatte man ihn bestimmt ersetzt. "Wer ist der neue Chef beim Sicherheitsdienst?"
Véronique atmete hörbar aus, "Rat mal."
"Didier Malvault?"
"Ja."
"Dann ist er hinter uns her, und wahrscheinlich ist er schon hier in Ludwigshafen." Fabienne ging zwei, drei Stufen weiter nach unten und blieb dann wieder stehen. "Wir verlassen diese Stadt, so schnell wie es geht. Ich habe Jean Claude gesagt, man soll unser Geld bereit halten."
"Werden sie zahlen?"
Sie zuckte mit den Schultern, "Das wird sich zeigen."
Man hörte nun ein Auto. Es war ganz in der Nähe, vielleicht fuhr es sogar schon aufs Grundstück. Fabienne lief ganz nach unten ins Erdgeschoss und hastete in ein Zimmer, das auf der Vorderseite lag. Véronique folgte ihr, und die beiden lugten hinter den Gardinen nach draußen. Es war jetzt fast ganz dunkel, aber die Laternen auf der Schwanthaler Allee brannten und warfen einen fahlen Schein. Ein Audi fuhr auf dem Weg, der zur Villa führte, und schon aus der Distanz konnte man die Gestalt des Fahrers erkennen.
Véronique flüsterte, "Ist das Jean Claude?"
"Ja."
"Wir könnten es mit ihm machen."
Fabienne musste ein bisschen grinsen, "Warum auch nicht?!"
*
Jean Claude lenkte den Wagen durchs offene Eingangstor und fuhr auf die Villa zu. Die Scheinwerfer schnitten durch die Nacht und trafen auf die helle Fassade. Im Erdgeschoss war alles dunkel, doch im ersten Stock brannte in einem Fenster noch Licht. Irgendwie hatte er ein seltsames Gefühl, aber an was das liegen könnte, wusste er jetzt auch nicht. Eigentlich sah alles aus wie sonst auch.
Wahrscheinlich machte er sich doch ganz umsonst so viele Sorgen. Wenn es gut liefe, könnte er auch gleich mit Fabienne seinen Spaß haben. Dafür vorbereitet
Weitere Kostenlose Bücher