Männer unerwünscht (German Edition)
später klappte die Hintertür, und Bruno erschien wieder auf der Bildfläche. Ich polierte wie eine Besessene, was Bruno mit einem Grunzen quittierte. Dann zog er eine „Blind“-Zeitung und eine dicke Zigarre aus seiner Aktentasche. Sich einen Stuhl hinter den Tresen ziehend, machte er es sich bequem. Dicke Rauchwolken umgaben ihn kurz darauf, und er verschwand hinter seiner Lektüre. Auf der Titelseite prangte die obligatorische halbnackte Frau, und ich konnte die Überschrift „Wenn’s Brigitte richtig heiß wird ... Mehr auf Seite 14“ lesen. Wahrscheinlich steckte seine Nase gerade tief in Seite 14, denn es dauerte sehr, sehr lange, bis er sich zum Umblättern entschloss.
Ich nutzte die Zeit, indem ich luschig die übrigen Regale ablederte und mir erst, als Bruno die „Blind“ zur Seite legte, wieder Mühe mit dem Wienern der letzten zwei Regale gab. Die Zigarre war längst verraucht, jetzt gönnte er sich eine Familienpackung dieser Schokoladenkugeln, in die sie immer diese edlen Nüsse mit dem unaussprechlichen Namen rieseln lassen. N atürlich bekam ich keine ab. Bis auf den Schokoladenkr ü mel, der in Chefs Mundwinkel klebte, war in Sekundenschnelle von der erlesenen Süßigkeit nichts mehr zu sehen.
Endlich kehrte Moni von der Mittagspause zurück, und kurze Zeit später kamen auch Maik und Ge r trud. So war ich mit diesem Scheusal und seinen dämlichen Kommentaren nicht länger allein. Kurz vor drei sammelte sich erneut eine Menschenmenge draußen an. Es waren die Langschläfer oder Spätzünder, die die Top-Angebote erst in der Mittagszeit in der Zeitung gesehen hatten.
Zwar handelte es sich um nicht ganz so viele Leute wie am Morgen, doch wieder würde ich erklären und Ersatzmodelle anbieten müssen. Für heute reichte es mir gründlich, aber es galt noch ein paar Stunden bis Feierabend zu überstehen. Bruno verschwand pünktlich vor Ladenöffnung, er hasste den Anblick der sich auf die Billig-Treter stürzenden Menge.
Als es am Spätnachmittag etwas ruhiger wurde, sprach ich Maik, der einen erschöpften Eindruck machte, an: „Kannst du mir mal verraten, warum du dein Praktikum ausgerechnet bei Fix-Schuh machst?“
„Durchaus“, antwortete er liebenswürdig und richtete sein lädiertes Kreuz wieder auf. „Ich werde nach meinem Abi Betriebswissenschaften studieren und hoffe, durch ein Praktikum in einem ganz normalen Betrieb einen Einblick in den Ablauf der täglichen Geschäftspraxis zu gewinnen. Marktwirtschaft von ganz unten betrachtet sozusagen.“
Wenn Maiki groß ist, wird er Wissenschaftler, oho!
„Du hast leider was übersehen. Dies ist kein ‚ganz normaler Betrieb’, das hätte dir im Laufe des he u tigen Tages eigentlich schon auffallen müssen.“
„Da bin ich anderer Meinung. Ich denke, ich werde hier eine Menge Eindrücke sammeln können. Als Einstieg werde ich das Geschehen im Betrieb beobachten, zusätzlich möchte ich einen Einblick in die Buc h haltung und den sonstigen Background gewinnen: Strukturierung, Kalkulation, Koordination, nur um ein paar Stichworte zu nennen. Die Inhalte des Praktikums hat mein Vater bereits im Vorfeld mit Herrn Kunze festg e legt.“
„Dein Vater ... Vorfeld ...“, stammelte ich fassungslos. Mensch, der Junge war erst fünfzehn!
„Mein Vater ist Bankdirektor. Herr Kunze ist einer seiner Kunden“, klärte er mich auf.
„Background?“ , stotterte ich.
„Davon verstehst du nichts. Schließlich bist du nur eine einfache Verkäuferin. Ich werte das durc h aus nicht negativ, nein, was wäre der Staat ohne den kleinen Arbeiter?“
Unser hochgradig intellektuelles Gespräch wurde unterbrochen durch einen besonders schlitzohr i gen Kunden, dem ich bei der Auswahl der richtigen Schuhe für seine Familie helfen sollte. Ich kam schnell dahinter, dass er nur mit mir handeln wollte. Die in Frage kommenden Modelle standen schon längst aufg e reiht auf dem Fußboden.
Das waren eine ganze Menge, denn seine Familie war groß. Bei jedem Schuhpaar rundete er den Preis großzügig ab. Bei den silberfarbenen Riemchenschuhen legte er beispielsweise den Preis auf „Fuf f zehn“ fest. Bruno verlangte jedoch 19,95 Euro für dieses Modell. Wieder und wieder erklärte ich ihm, dass ich diese ohnehin spottbilligen Treter nicht günstiger verkaufen konnte. Wir waren hier schließlich nicht auf dem Flohmarkt (oder doch?). Jedenfalls verstand er plötzlich die deutsche Sprache nicht mehr und beharrte steif und fest auf „Fuffzehn. Keinen Centino
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