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Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition)

Titel: Magdalenas Blau: Das Leben einer blinden Gärtnerin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ulla Lachauer
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dein Bettle. Das wird ein großer Korb, da kommen Kissle rein und ein Spreusäckle.» Auf Mutters Rat entschied ich mich für die alte Methode, keine Kunststoffmatratze, sondern einen Sack mit Haferspreu drinnen. Das schien mir hygienischer, der wird ab und zu aufgeschnitten und das verpinkelte Zeug erneuert.
    «Hör nicht so viel Radio», bat mich Konrad während der Kuba-Krise. Im Oktober 1962 schien die Welt wirklich nahe am Krieg. «Stell dir vor, unser Kind muss durchs Feuer gehen.» Konrad mochte solche Reden nicht hören, er wurde dann schnell wild. Ganz vom Radio lassen konnte ich aber nicht. Ich tröstete mich damit, dass Kuba fern war und, wie sie immer sagten, «eine Insel». Was genau ist eine Insel? Aus den Details in den Berichten setzte ich mir Kuba zusammen: eine Bucht mit viel Sand, hintendran Urwald und dahinter eine Stadt, in der viel und leidenschaftlich Musik gemacht wird. Dort sitzt ein Kommunist, der folgt den Russen, Fidel Castro, bei dem Namen habe ich unweigerlich an «Fidelio» denken müssen.
    Eines der für mich am schwersten einzuschätzenden Dinge auf der Welt sind große Entfernungen. Interkontinentalraketen von 18 000 Kilometer Reichweite, welche Meere, Landstriche, Gebirge zwischen Kuba und Moskau, Kuba und Washington liegen, Längengrade, Breitengrade, Äquator und magnetische Pole – für mich unfassbar. Keine Ahnung, wo sich die Machthaber der östlichen und der westlichen Welt befanden. Chruschtschow, der Mann, der mal in der UNO mit dem Schuh auf den Tisch gehauen hatte, dieser Muschik ohne Manieren. Und auf der Gegenseite Kennedy, der sympathische Gentleman, für den viele schwärmten, mit dichten Haaren und einer schönen jungen Frau, Jackie.
    An Weihnachten war Konrads Mutter bei uns in Tonberg, ein mit Vorsicht behandelter, aber durchaus nicht ungern gesehener Gast. Auch wir besuchten sie nach Möglichkeit zwei, drei Mal im Jahr in Herrenschwand. Seit sie gemerkt hatte, dass sich ihr Sohn mit mir wirklich wohl fühlte, war sie zahm geworden. Ihr gefielen auch meine Basteleien und Malereien. «Weißt du, der Johannes hätte seine Freude an dir gehabt», sagte sie mal, «für den wärst du genau die richtige Schwiegertochter gewesen.»
    Zum ersten Mal hat sie mir von ihrem verstorbenen Mann erzählt, der auf kümmerlichste Art, als Bürstenarbeiter, sein Geld verdient hatte. «Wenn der abends heimgekommen ist, ist er in die Werkstatt und hat erst einmal gemalt, geschnitzt oder sonst was. Und ist nach dreimaligem Klopfen vielleicht um zehn Uhr zum Nachtessen gekommen.» Indirekt hat sie damit ausgedrückt, dass sie mich akzeptierte. An den Weihnachtstagen wollte sie mich unbedingt unterstützen. «Du kriegst bestimmt Zwillinge», unkte sie, so voluminös war ich.
    Es war bitterkalt, Ostwind. Er wehte kräftig und unermüdlich, schon seit Ende November. Überraschend war noch kurz vor den Feiertagen der Schulrat gekommen. Er spazierte zur Hintertür herein, und kontrollierte als Erstes die Öfen. Ist es auch warm genug? Ja, es war warm. «In zwei von drei Schulen frieren die Kinder», schimpfte er. Im Radio verkündeten sie, eine «Seegefrörne» stehe bevor. Zum zweiten Mal in diesem Jahrhundert fror der Bodensee ganz und gar zu, ein Naturschauspiel. Anfang Februar würden die Leute zu Fuß und auf Schlittschuhen von Konstanz übers Eis in die Schweiz spazieren können.
    In unserer Küche in Tonberg fror zu Weihnachten vorne am Fenster das Speiseöl ein, und das, obwohl nebendran im Herd Brotbackhitze herrschte. Wasser, das ich beim Spülen verspritzte, wurde sofort zu Glatteis, deswegen hatte ich zur Sicherheit Kokosläufer ausgelegt. Am zweiten Feiertag war schließlich ein Stück Wasserleitung eingefroren. «Lass es bis morgen, Magdalena!», meinte die Schwiegermutter. «Nein, dann wird es noch schlimmer.» Man musste unbedingt sofort die kritische Stelle an der Klowand behandeln. Ich sehe mich heute noch rittlings auf der Kloschüssel sitzen, mit meinem Kugelbauch, und mit der Plastikwärmflasche die Leitung massieren. Hin und her, hin und her, bis Konrad vom Gottesdienst zurück war und mich erlöst hat.
    In meinen jugendlichen Träumen habe ich mir drei Söhne gewünscht.
    «Es wird ein Sohn, Konrad.»
    «Na, seit wann kannst du denn nach drinnen gucken?»
    «Ja, weil ich mit Buben besser auskomme.»
    Das war wirklich so. Oder anders ausgedrückt, ich hatte Angt vorm Puppenspielen. Einem Mädle die Zöpfe flechten, mit ihr über Frisuren reden, das war für mich etwas

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