Maggie O'Dell 03 - Schwarze Seele
zu.
Prashard nickte Maggie zu, während er den hinteren Teil seines Kombi öffnete. „Die lässt mich nicht die kleinste Kleinigkeit anrühren, ehe Sie nicht einen Blick auf alles geworfen haben.“
„Ich freue mich ebenfalls, Sie zu sehen, Wayne.“
„Tut mir Leid.“ Er entschuldigte sich lächelnd, und sein Bulldoggengesicht legte sich in freundliche Falten. „Sie ist nur manchmal eine entsetzliche Nervensäge. Sie wissen, was ich meine.“
Ja, sie wusste genau, was er meinte, lächelte jedoch kommentarlos.
Prashard war allerdings noch nicht fertig. „So hat sie sich noch nie aufgeführt.“
„Wirklich nicht?“ Maggie konnte sich nicht vorstellen, dass Racine sich jemals anders aufführte.
„Hauptsache, alle wissen, dass sie hier das Kommando hat. Darauf legt sie Wert. Ehe sie Detective wurde, war sie richtig nett“, sagte er, während er einen Leichensack aus dem Wagen holte. „Vielleicht sogar ein bisschen zu nett, wenn Sie verstehen, was ich meine.“ Er zwinkerte Maggie zu.
Sie ignorierte seine Einladung, über Detective Racine herzuziehen. Auch wenn sie Racine nicht sonderlich mochte, hatte sie sich nie dazu hergegeben, über eine Kollegin zu tratschen. Und sie würde jetzt nicht damit anfangen. Es sah ganz danach aus, als hätte Prashard einige Geschichten auf Lager, die er ihr gerne mitteilen würde. Doch sie wandte sich zum Gehen. „Davon weiß ich nichts. Ich kenne Racine erst, seit sie Detective ist.“ Dabei ließ sie es bewenden.
Auf dem Weg zum Viaduktdurchgang betrachtete sie die Umgebung. Über ihr lärmte der Verkehr. Scheinwerfer blitzen zwischen knapp zwei Meter hohen Schutzgittern auf. Dieselgestank wehte vom Busbahnhof auf der anderen Seite des kleinen leeren Parkplatzes herüber, wo sich Mechaniker bei laufenden Motoren an den Greyhound-Bussen zu schaffen machten. Etwa ein halbes Dutzend defekter Gefährte war am Absperrgitter aufgereiht und behinderte die Sicht auf den Durchgang zum Viadukt.
Abgesehen von dem Bereich, in dem die Mechaniker arbeiteten, war der Platz schlecht beleuchtet. Es war dunkel, laut und einsam. Maggie fragte sich, warum jemand freiwillig hierher kam. Allerdings war der Betonbogen des Viaduktes mehr ein Tunnel als ein Durchgang, bot Schutz vor dem Wind und spendete vielleicht sogar Wärme. Somit war es ein verlockender Platz für einen Menschen, der sich ein Heim aus Kartons bauen wollte - und ein ebenso verlockender Platz für jemanden, der ein Opfer suchte.
„Gut, dass Sie da sind.“ Racine war aufgetaucht und hielt das gelbe Absperrbandes hoch, damit Maggie darunter hindurchgehen konnte.
Maggie roch die Leiche, sobald sie den Tunnel betraten. Racine ging voran und umrundete vorsichtig zwei Leute von der Spurensicherung. Einer kroch mit Taschenlampe, Bürste und Plastikbeuteln ein Raster ab, während der andere Scheinwerfer aufstellte.
In der anderen Öffnung saß, an die kalte Betonwand gelehnt, starr und grau im grellen Scheinwerferlicht, eine nackte Frau. Die Augen weit offen, in den Winkeln bereits weiße Büschel von Larven. Ihr Kopf baumelte zu einer Seite und zeigte mehrere Strangulationsstriemen im Nacken. Ihr schmutzig verschmiertes Gesicht war aufgedunsen, der Mund mit Klebeband verschlossen. Ihre Hände lagen im Schoß gefaltet, die Handgelenke wiesen nach vorn, wie um die Abrücke der Handschellen zu zeigen, mit denen sie gefesselt gewesen war. Maggie bemerkte, dass die Innenseiten der Ellbogen sauber waren, keine Einstichstellen von Spritzen. Demnach war sie nicht mit der Hoffnung auf Drogen hergelockt worden. Weder Kartons noch Einkaufswagen standen herum. Auch sonst gab es bis auf ihre sorgfältig gefalteten Lumpen in einiger Entfernung nichts, was ihr hätte gehören können.
„Was halten Sie davon?“
Während Maggie den Tatort untersuchte, vorsichtig auftrat und mit dem Blick Beweise sammelte, merkte sie, dass Racine sie abwartend beobachtete.
„Die Position der Leiche ist ähnlich.“
„Die sieht verdammt identisch aus“, korrigierte Racine sie. „Allerdings glaube ich kaum, dass wir einen Personalausweis in ihrer Kehle finden.“
„Zweifellos passt sie nicht zur Viktimologie unseres Täters“, sagte Maggie und ging vor dem Leichnam in die Hocke, um besser sehen zu können. Die Tote starrte ihr sozusagen in die Augen. Die Leichenstarre war bereits gewichen. Maggie prüfte das, indem sie sacht eine Hand nahm und vorsichtig zurückfallen ließ.
„Ich wünschte wirklich, Sie würden die Tote nicht anfassen“,
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