Magie der Schatten 1 - Barshim und Cashi
Schweißperlen rannen über ihre Stirn in die Augen, doch sie fand kaum noch die Kraft, sie wegzuwischen. Geisterwesen bewegten sich in ihr, kratzen an den Organen und wischten Nebel in ihr Gesichtsfeld.
Zwei Stunden später suchte Tamin Cashimaé. »Wo bist du?«, rief er und fand sie schließlich draußen, hinter dem Haus. Cashimaé lag auf dem Boden, hatte das Bewusstsein verloren und trieb weit ab in einer Welt von Fieberträumen. Er trug sie in die Stube und legte sie auf ein Fell vor dem Feuer. Ratlos blickte er seinen Freund an.
»Es ist eine Krankheit der Kopfblinden«, meinte Anectis gleichgültig. »Ich hatte sie auch, bevor ich in den Ebenen der Tendaren lernte, meinen Körper davor zu schützen.«
»Schön, dass du das weißt. Dann wird dich ja nichts davon abhalten, ihr zu helfen.«, stellte Tamin fest.
»Wolltest du sie nicht bestrafen? Was interessiert dich ein solch niederes Wesen?«
Tamins Augen blitzten drohend auf. »Ich werde dich nicht darum bitten, Anectis!«
»Ich werde dich nicht darum bitten«, äffte der Hexer ihn gekünstelt und mit hoher Stimme nach und machte einen übertriebenen Knicks, wie es die Priesterinnen taten. »Ich lasse mich auch um nichts bitten, Magier!« Die Worte klangen ruppig.
»Deswegen befehle ich es dir auch, Hexer«, fuhr Tamin ihn wütend an. Anectis hob beschwichtigend die Hände. »Ich werde deine Beweggründe niemals begreifen. Seid ihr Magier immer so wankelmütig? Wenn du mal Kreisführer werden willst, solltest du dir diese Unart abgewöhnen. Anführer, die ständigen Launen ausgesetzt sind, kann keiner ausstehen.«
Der Blick seines Freundes reichte, dass sich der Schwarzhexer in Bewegung setzte. Er zog Tamin mit einem giftigen Ausdruck den Mantel von den Schultern, deckte damit die im Fieber wimmernde Cashimaé zu, warf etwas Holz nach und ging hinaus. »Muss was holen!«, brummelte er vor sich hin.
*
Cashimaé kämpfte um ihr Leben. Die Menschen nannten es Lungenentzündung. Eine Krankheit, die die Magier nicht kannten. Anectis besorgte Kräuter und wenn er es auch widerwillig tat, so kümmerte er sich doch um die junge Frau. Er konnte das Risiko nicht eingehen, Tamin wütend zu machen. Zu viel wollten sie erreichen, zu viel hatten sie schon geschafft, um es wegen eines Menschen aufs Spiel zu setzen.
Vor einigen Jahren noch wäre es undenkbar gewesen, mit einem Magier Geschäfte zu machen. Anectis hatte viele Jahre um mehr Land gekämpft. Er war ein gefürchteter Hexer. Auch die Magier schätzten seine Kunst. Nicht alles, was Tamin plante, entsprach seinen Zielen, doch wenn er mehr Rechte für sein Land erreichen wollte, musste er manchmal gegen seine Richtlinien verstoßen.
Anectis‘ Gedanken schweiften ab, zurück zu jener Schlacht, die schon so viele Jahre zurück lag. Er war zum ersten Mal dem heutigen Kreisführer Liyiells begegnet. Sein Name war Savinama. Bei dem Gedanken an ihn musste er sich schütteln. Die Magier selber waren arrogant und überheblich, das war immer sein Vorteil gewesen, doch Savinama war ein Logiker und einer der stärksten Magier, denen er je begegnet war.
Damals war er übermütig gegen die Alte Welt in den Krieg gezogen und hatte es sogar geschafft, dass sich Natriell und Liyiell gegen ihn verbünden mussten, um ihn zurückzuschlagen. Shorbo war damals schon Kreisführer Natriells, Liyiell wurde noch von Arthol Resas geführt. Ein wirklicher Krieger, der mit dem Schwert umzugehen wusste. Aber Anectis‘ Mischung aus Hexerei und Magie hatte sogar Arthol überrascht. Bis dahin hatte man die Hexerei ausgelacht, doch spätestens als er Savinama schwer verletzte, nahm man ihn ernst.
Die Zeit danach im Gefängnis hatten den Hexer nicht zermürbt, sondern stärker gemacht. Er war gereift vom jungen Mann zum Kämpfer. Heute war er stark, nicht nur im körperlichen, auch im geistigen Sinne.
Er hatte begriffen, dass manchmal eigene Wünsche zurück stehen mussten, wenn man sein Ziel erreichen wollte und so kümmerte er sich um das Mädchen.
Er betrachtete sie und stellte sich zum wiederholten Male die Frage, warum Tamin so viel Wert auf ihre Heilung legte. Verheimlichte er ihm etwas?
Anectis beugte sich hinab und legte ein neues kühlendes Tuch auf Cashimaés Stirn. »Verrate mir deine Geheimnisse, kleines Mädchen!«
*
Weit entfernt auf einem Hügel schoss die Axt mit Schwung hinab und teilte das Holz. Mineshka, eingewickelt in einen dicken Wollmantel und mit Fellen um die Schultern, die vor der Kälte schützten, kam
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