Magier des dunklen Pfades 2 - Der Alte Bund (German Edition)
Einer von ihnen trug einen Wappenrock, der andere, ein Hüne mit kahl geschorenem Kopf, eine schwere Brünne, die im Fackellicht glänzte wie ein Spiegel. Das ins Metall getriebene Sonnensymbol – Wahrzeichen der Iros-Kirche – erweckte tatsächlich den Eindruck, als brenne es.
Nachdem sie den Raum abgesucht hatten – einmal hatte der Kleinere Arlo direkt in die Augen geschaut, dass ihm beinahe das Herz stehen blieb –, verharrten sie vor der Treppe.
Der Kahle steckte seine Fackel in eine der Eisenhalterungen und kratzte sich am Nackenansatz, wo das rote Mal eines Storchenbisses leuchtete. »Nicht hier, der Kerl.«
»Der ist mit dem ersten Tau verschwunden.«
»Der Pass ist noch nicht frei«, brummte der Kahle, sperrte den Mund weit auf und stocherte mit Daumen und Zeigefinger an seinen Zähnen herum. »Weit kann er nicht sein«, meinte er schließlich mit einem zufriedenen Blick auf ein blasses, an seinem Nagel klebendes Bröckchen.
Verärgert trat der Kleinere gegen den schweren Tisch. »Mann, hab keine Lust, im Wald rumzustapfen!«
In diesem Moment erklang das Quietschen der Kellertür, und drei Männer rumpelten unter lautem Getöse die Treppe hinab.
Drei Männer …
… und ein Hund!
Einer von ihnen, ein hagerer Zeitgenosse mit einem buschigen Gabelbart am Kinn, hielt in der einen Hand die Leine – und in der anderen Arlos Schal.
Der Hund begann plötzlich zu bellen, und mit jedem Blaffen ergossen sich Schweißschübe über Arlos Stirn und Rücken.
Scheiße, Scheiße, Scheiße! Der verdammte Köter hat meine Witterung!
»Er schlägt an«, meinte der Hundeführer und grinste. »Macht euch bereit auf einen etwas schnelleren Spaziergang.«
Allseitiges Gemurre. Trotzdem legten die Männer ihre Ausrüstung ab, desgleichen die schweren Schwerter. Dann prüften sie ihre Dolche, und einer schlang sich einen Bogen um.
»Ich passe auf das Zeug auf«, erklärte der Kahle.
»Gut.« Der Hagere kniete sich neben den immer noch aufgeregt bellenden Spürhund – und löste die Leine.
Wie von einem Katapult abgefeuert schnellte er auf Arlo zu. Das Vieh wollte sich mit den Vorderläufen am Holzstoß aufrichten, doch da es ja gar keinen richtigen Holzstoß gab, purzelte es in Arlos Versteck.
Arlo, vor Entsetzen gelähmt, gab einen Schrei von sich, als ihm der Hund in den Unterarm biss und zerrte.
Der Schmerz war so heftig, dass er sich mitziehen ließ. So lag er im nächsten Moment auf dem Boden im Keller, ungeschützt, diesen Halunken auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Bass erstaunt, die Kinnladen runtergeklappt, glotzten sie ihn an, ihn und den Holzstoß.
»Bei Iros!«, rief der Kahle plötzlich und nahm sein Schwert vom Tisch. »Der Kerl ist ein Zauberer!«
Das Letzte, was Arlo sah, war ein auf seinen Kopf zusausender Schwertknauf; das Letzte, was er hörte: »Was für ein Glück! Jetzt ersparen wir uns die Suche.«
»Nicht so voreilig. Hast du vergessen, dass wir auch den anderen Burschen schnappen sollen?«
Kapitel 6
Du hast die Wahl.
Du kannst dir Sorgen machen,
bis du davon tot umfällst.
Oder du kannst es vorziehen,
das bisschen Ungewissheit zu genießen.
Norman Mailer
Seufzend schlug Laris das Buch zu. Robustes Leder, in das in feinen Lettern die Überschrift Eine Geschichte der Geschichten gestanzt war. Es behandelte die Entstehung von Mythen und Sagen, basierend auf Volksglauben und mündlichen Überlieferungen, alles überzogen mit einer akademischen Patina. Die ließ sich natürlich abkratzen, sodass Mutmaßungen und einige brüchige Argumentationsketten herausragten, die dem scharfäugigen Gelehrten missfielen. An der Universität in Vaskalan hätte man damit sicher nicht gearbeitet. Aber es war schön zu lesen und regte zum Träumen an, und es hatte ihr so manche Stunde versüßt, in der sie staubtrockene Historienschmöker wälzte. Ein paar Minuten in die Welt der Legenden eingetaucht, und schon hatte sie frischen Elan gehabt, mit ihren Studien fortzufahren.
Hätte sie in Vaskalan bleiben sollen?
Die leisen Tage in ihrem Studierzimmer, wenn eine Brise den Duft von Frühling und die Geräusche einer blühenden und brodelnden Stadt zu ihr trug, waren nicht die schlechtesten gewesen.
Wäre ihre Mutter nicht gestorben …
Laris stellte das Buch zurück ins Regal neben die anderen ihrer Sammlung, die sie über die Zeit hinweg erstanden hatte. Es waren ihre Lieblinge, und in ihnen fand sie Trost oder Zuversicht oder Freude, je nachdem, was sie gerade
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