Magier des dunklen Pfades 2 - Der Alte Bund (German Edition)
abriss. Aus dem Stumpf stieg schwarzer Rauch, in dem sich Aluna materialisierte. Ihr Kopf drehte sich einmal komplett herum, und als er wieder richtig saß, starrte Laris ihn an und spuckte Blut. Die Tropfen gefroren, splitterten dann, und die roten Scherben verbanden sich zu vier Gesichtern: Niam, Durias Mutter, Gordas und Turdon. Plötzlich hörte er ein Knurren, und drei entkörperte Köpfe gesellten sich zu dieser grausigen Staffage, die Köpfe seiner einstigen Peiniger, Toste, Ugdar und Rul. Ihre Münder waren unbewegt, und trotzdem lachten sie, lachten wie besessen, ein schrilles Keckern und Kreischen. Ihre Kehlen klafften auseinander und wabbelten wie Lippen. Zischend entwich die Luft aus den Schnitten und trug einen Sprühregen aus Blut.
Nur raus aus diesem Albtraum!
Irgendetwas jedoch hielt ihn zurück, eine Art Fessel, die von außen durch die Blase des Traums stieß. Sie hielt ihn dort. Er grub seine Zähne hinein, kaute darauf herum.
Ein peitschendes Schnalzen.
Er stieg auf, ließ den Pfuhl widerwärtiger Eindrücke zurück, durchbrach die Blase. Dann schwebte er frei im Nichts.
Kapitel 9
Es ist gefährlich, anderen etwas vorzumachen,
denn es endet damit, dass man sich selbst etwas vormacht.
Eleonora Duse
Eine Berührung am Oberarm weckte Lorgyn auf.
Er öffnete die bleischweren Lider und drehte den Kopf.
Laris zitterte am ganzen Leib. Ihr schneeweißes Gesicht war verzerrt, die Lippen nach oben gekräuselt, was wirkte, als fletsche sie die Zähne. Ihre rechte Hand zuckte und traf ihn erneut am Arm.
Einen Moment blieb er liegen, jeder willentlichen Handlung unfähig, als müsse er erst wieder lernen, seinen Körper zu beherrschen.
Müdigkeit klebte wie Harz in seinem Körper, in seinem Kopf. Ein paar gleichmäßige, tiefe Atemzüge, dann richtete er sich auf und wartete auf Schwindel, auf Schwäche, die ihn zurück ins Laken riss.
Nichts passierte.
Er griff zu der Wasserkaraffe und trank ausgiebig.
Besser.
Laris stöhnte. Ihre Augenlider flatterten. Wieder verzerrten sich ihre Züge. Ein Albtraum? Behutsam legte er ihr die Hand auf die Stirn.
Heiß.
Trotzdem war er zuversichtlich: Seine Magie war da, mehr noch, sie wütete regelrecht, als wolle sie ihre gewaltigen Schwingen ausbreiten und die menschliche Hülle sprengen, die sie umfing.
Das Gefühl war zugleich unangenehm wie auf beunruhigende Weise anziehend; es war genau das, was er brauchte: Macht! Kein Gift mehr, das ihn lähmte, keine Erschöpfung, die ihm die Kontrolle über seine arkane Kraft verweigerte.
Lorgyn kniete sich über Laris.
»Tut mir leid«, flüsterte er. Mit der einen Hand fixierte er ihren unverletzten Arm, mit der anderen umfasste er den Pfeilschaft.
Laris riss die Augen auf. »Was tust du?«, fragte sie heiser, ihr Blick auf Lorgyns Hand und den Pfeil gerichtet.
»Ich werde dich heilen. Dazu muss der Pfeil raus.«
Sie nickte tapfer, begann aber, schneller zu atmen.
»Bereit?«
»Tu es.«
Mit einem Ruck zog er an.
Laris’ Augen gingen über, als die Spitze mit einem feuchten Reißen ihre Schulter verließ, begleitet von einem Spritzer frischen Blutes, der das Laken mit roten Punkten sprenkelte. Ein abgehacktes Wimmern kämpfte sich an ihren zusammengepressten Lippen vorbei.
Lorgyn vergrößerte das Loch in ihrem Oberhemd, das der Pfeil verursacht hatte, und warf einen Blick auf die Wunde. Blut quoll aus dem dunklen, gezackten Loch, und ein unangenehmer Geruch stieg ihm in die Nase.
Ohne zu zögern, presste er die Hand auf die Wunde, bündelte die Magie und ließ sie durch seine Hand entweichen. Es war kein ausgefeilter Heilzauber, lediglich ein Hineinleiten von magischer Energie, die das Gewebe zusammenflickte und den Wundbrand entfernte. Sein Körper litt unter der Belastung. Die Kopfschmerzen meldeten sich zurück, und sein Blick flirrte für einen Moment. Ausreichend erholt von den Strapazen hatte er sich noch lange nicht. Aber es reichte aus, um den ersten Punkt auf der langen Liste bevorstehender Aufgaben abzuarbeiten.
Laris’ Blick wandelte sich von Angst und Schmerz zu Verwunderung. Ihr zerfurchtes Gesicht glättete sich. Ein bebender Atemzug entwich ihr, ehe sie wieder gleichmäßiger Luft holte, als hätte sie mit diesem einen Atemstoß alles Schlechte hinausgeblasen.
Als Lorgyn die Hand wegnahm, seufzte sie erleichtert.
Er nahm die Karaffe, goss Wasser über die Stelle, wo der Pfeil eingedrungen war, und wusch das Blut fort. Zum Vorschein kam dünne, rosige Haut.
Weitere Kostenlose Bücher