Magische Insel
nirgends konnte man ohne Umschweife vorgehen. Außerdem hatte ich aus irgendeinem Grund nicht gezielt nach Krystal fragen wollen. Vielleicht sturer Stolz … davon hatte ich immer noch genügend.
Der rothaarige junge Soldat brüllte: »Bidek! Komm sofort her!«
Gleich darauf erschien noch ein junger Soldat, kräftiger, mit dunklen Haaren. Der Rotschopf marschierte über den Innenhof – einer der wenigen in Candar, der mit Steinplatten gepflastert war – und verschwand in einem grauen dreistöckigen Granitgebäude.
Während ich wartete, stellte ich weitere Beobachtungen über meine Umgebung an, hauptsächlich, um das Holz zu prüfen. Zu meiner Verteidigung hatte ich einen Plan entworfen, der nicht gegen die Regeln der Ordnung verstoßen würde, da er durch und durch schöpferisch war.
Doch musste ich den Plan nicht in die Tat umsetzen, da der Rotschopf mit drei Kameraden aus dem Gebäude zu mir kam. Der Mann in der Mitte trug sauberes grünes Leder und eine Klinge, die sein Talent verhieß. Er blickte auf meinen Stab und nickte.
»Die Sub-Kommandantin heißt dich willkommen, Ordnungs-Meister. Bitte, folge mir.«
Ordnungs-Meister! Verdammt! Die beiden jungen Wachposten waren so weiß wie Chaos, als ich sie mit dem Stab grüßte. Dann marschierte ich mit den Soldaten ins Granitgebäude. Wir gingen drei breite Treppen hinauf zu einer schweren, mit Eisen beschlagenen Tür. Der Klopfer hätte Tote erwecken können.
Die schwarzhaarige Dame öffnete selbst. Sie zuckte nicht mit der Wimper, als sie uns eintreten ließ. Krystals Unterkunft war für die eines Soldaten beinahe luxuriös: zwei große Zimmer, ein Konferenzraum mit einem großen rechteckigen Tisch und schweren Armstühlen. Von dort konnte man auf eine große geschlossene Veranda gehen. Außerdem verfügte sie noch über ein Schlafzimmer.
Wir standen jetzt im Konferenzraum. »Der Ordnungs-Meister, Kommandantin.«
»Danke, Statcha. Ihr könnt gehen.« Krystal trug grüne Lederhosen und eine kurze Jacke über einer grünen Ledertunika. Über der linken Schulter hing eine goldene Tresse, den schmalen Jackenaufschlag zierten vier Silbersterne.
Statcha zog die Brauen hoch. Krystal lachte. Ihr Lachen klang entspannter und melodischer, als ich es je gehört hatte. »Statcha, du weißt, dass ich von einem einzigen Mann nichts zu befürchten habe. Und selbst ein ganzes Heer könnte mich nicht vor einem Chaos-Meister oder Ordnungs-Meister schützen.«
Die Männer zuckten zusammen, als hätte sie ihnen Peitschenhiebe versetzt. Doch hatte sie freundlich gesprochen. Während sie sprach, ließ ich meine Gefühle ihre Klinge abtasten. Verblüfft stellte ich fest, dass es noch dasselbe Schwert war, das ich ihr damals gekauft hatte … doch inzwischen hatte der Stahl viel mehr Ordnung angenommen. Ebenso Krystal. Ich scheute mich, ihre Gefühle zu erspüren. Ich hatte Angst, diese zu ergründen.
»Lerris.«
Ihre schwarzen Augen bohrten sich in meine. »Du siehst älter aus – und klüger.«
»Ich bezweifle beides.«
Sie lächelte. »Das allein beweist, dass beides zutrifft. Ich freue mich, dich zu sehen. Allerdings habe ich nie gezweifelt, dass wir uns wieder sehen würden.«
Ich hob die Brauen.
»Du gehörst nicht nach Recluce, und früher oder später … Warum bist du gekommen?«
»Ich muss mehr über den Autarchen erfahren.«
»Warum bist du dann zu mir gekommen?«
Ich bewunderte ihre offene Art. Sie war noch immer liebenswert, aber jetzt mit Stahl gehärtet.
»Weil …« Ich holte tief Luft, schüttelte dann aber den Kopf. »Ich weiß es nicht. Es schien mir richtig zu sein. Und ich bin froh, dass ich es getan habe. Aber den Grund vermag ich dir nicht zu nennen.« Mein Puls raste, als würde ich mich belügen. Das beunruhigte mich.
»Es passt dir nicht, dass du meine Frage nicht beantworten kannst.«
Ich lächelte verlegen. »Stimmt.«
Ihre Augen glitten an mir vorbei, dann zurück auf mein Gesicht. »Über dich zirkulieren Geschichten durch ganz Candar, aber niemand weiß, wer du bist. Als ich von dem Lehrling des Grauen Magiers mit einem Schwarzen Stab hörte, der in Jellico eine Hure heilte und plötzlich unsichtbar war, wusste ich, dass nur du es sein konntest.«
Mein Magen drehte sich etwas. Wenn Krystal nur wüsste …
»Hast du den Weißen Magier im Tal von Krecia vernichtet?«
»Das geschah rein zufällig«, gab ich zu.
Die Sub-Kommandantin schüttelte den Kopf. »Immer noch dieselbe Mischung aus Selbstvertrauen und
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